Es ist scheinbar so, daß Menschen nur noch mit Alkohol, Laerm und
Rabatz feiern koennen. Fuer die meisten Menschen in unserem Kulturkreis ist das ja schon fast ein Lebens-stil geworden. Viele wissen oftmals gar nicht mehr warum sie denn feiern. Eine Party mit entsprechendem Anlaß wird demzufolge mit mehr Inbrunst begangen. Diese wilde Leidenschaftlichkeit ist sicherlich fuer außenstehende ein solcher Kontrast, daß sie ihn bewußt erkennen: als eine Trennlinie. Diese markiert der anonyme Schreiber im Frizz deutlich. Emotional zu scharf, aber wohl von seiner Perspektive nicht ausufernd genug. Schließlich aendert sich nichts am Problem, sondern nur in der Wahrnehmung der Frizz-leser.
Nun fragt sich der aufgeweckte Leser: gegen welche Umstaende richtet sich der Artikel tatsaechlich? Ist es die Einverleibung der britisch-traditionellen "Stag-Party"? Diese Jung-gesellenfeier ist nicht zu verwechseln mit dem altgermanischen Brauch des Polterabends, welcher direkt vor der Trauung stattfindet. Dahingehend kann man sagen, daß sie im Kern als letzte Ueberpruefungs-instanz des Braeutigamms sehr wirksam und nuetzlich erscheint. Die Erweiterung unsere deutschen Traditionsangebote um eine fremdnationales Gut kristallisiert sich als ein brisantes Thema: Woran erkennen wir Nuetzlichkeit und kann ein Handlungsmuster ein Besitz sein?
Zudem hat aber nicht nur Deutschland mit dem Phaenomen zu kaempfen, sondern alle "sicheren" Laender weiter oestlich, wo man eben feiern kann: denn diese Art von sozial-Konsum kostet Geld!
Ein Artikel aus der FAZ koennte das Initiatum der Frizz-glosse sein. Das Problem ist also keine lokale Neustadtmaere.
So wie es dem Menschen nicht gelingt seine Fresse zu halten, bezieht er eine Position mit mehr oder weniger mentalen Durchdringung: wozu 120 Euro? Das kann zusammenhangslos zu harten Auseinandersetzung jeglicher Art fuehren. Schließlich kann jeder mit dem Betrag etwas anfangen, nur nicht, wenn es einem nicht gehoert. Auf Wikipedia findet sich nun der eigentliche Bezug:
"Unter „Distressed British Nationals“ (DBN) fallen alle Personen, die häufig ohne Geld, ohne Reisedokumente und ohne Orientierung die Hilfe der Botschaft benötigen, weil die Promillegrenze längst überschritten wurde, um sich noch selbst helfen zu können. Auf Grund des starken Anstiegs an DBN-Fällen in den Botschaften (vor allem eben durch die Stag Partys und Hen Nights) im Ausland plant das britische Außenministerium eine Pauschalgebühr von 120 € für seine „Dienstleistungen“. -Spekulations-schlacht adieu-
Welches Motiv kann also der Verfasser noch gehabt haben? Nach einem weiteren Schluck Cappuccino faellt der Fokus auf die Popularitaet. Die Jung-gesellenabschiede werden tatsaechlich immer staerker kommuniziert. Das ist aber schon ein subtiles Komplexitaetsproblem, denn die Integration faengt schon mit dem Wertesystem und der Sprache an. Warum dieser dynamische Kulturtransfer ueberhaupt stattfindet weiß ich nicht, aber die Westernisierung sollte jedem schon aufgefallen sein: man bezeichnet sich lieber als
Single, oder man sagt beispielsweise viel eher
I love you, statt ich liebe dich. Wohlmoeglich reise ich ein Wundpflaster auf: aber mikrosoziologisch ist es Interessant intuitiv etwas ernsthaftes etwas leichtherziger aussagen zu koennen. (Bedeutungsverschiebung?)
Zu unserer Betrachtung koennte der amerikanische Hollywood-film
Bachelor Party von 1984 einen moeglichen Anfangspunkt der Kulturadaption darstellen. Ob sich dieser Prozess aufhalten laeßt, vermag ich zu bezweifeln, insbesondere, wenn man dazu Ohnmachts-artikel fuer die Oeffentlichkeit verfaßt. Eine gute Idee schafft es ja auch in eine Frizz-kolumne.
Nein, um ernst zu bleiben: wir zeichnen den diffusen Strom zwischen Tradition und Modernitaet, der sich in die Szenenvierteln wie Neustadt verlegt und pulsiert. Der Werdegang ist bei Nicht-regulierung relativ ungewiß. Man koennte schließlich fuer genau derartigen Tourismus eine Bachelor-route, -kneipe, -ablauf und Infopunkte infrakstrukturell herbzaubern, um Reibungen abzufedern und weiteren, sicherlich anwachsenden Bedarf zu decken.
Eine Sensibilisierung, sollte also fuer alle Beteiligten geschehen, nicht unbedingt durch eine transkulturelle Kampfkampagne, aber auch nicht durch eine versteckte, grenzwertige Kolumne.
liebe Grueße , Denkanstoeße und Gemuetanstoeße verwertend
#myrmikonos