Bist Du drin? Lass uns gruscheln!Ich treffe M. auf dem Campus. Wir haben uns eine Weile nicht gesehen und tauschen Alltäglichkeiten aus, reden über diesen Professor oder jene Party. Da fragt mich M.: "Warum habe ich Dich eigentlich nicht im StudiVZ gefunden? Bist Du noch nicht drin?" Ich überlege einen Moment, warum M. das Wort "noch" verwendet hat und lüge, das ich noch nie etwas von diesem Studentenverzeichnis gehört habe. Ein Ding der Unmöglichkeit, ist doch schon gut
jeder vierte Student in Deutschland registriert. Bis zu 10.000 neue Mitglieder bekommt das soziale Netzwerk täglich, durchschnittlich sind es 4.000. Insgesamt spricht man von
weit über einer halben Million "Immatrikulierter".
Das AAL-PrinzipAndere Arbeiten Lassen, so eines der Prinzipien des "Web2.0", dem aktuellen Trend im Internet. Wie man in letzter Zeit unter anderem bei Spreadshirt.de und bei Youtube.com gesehen hat, funktioniert das Prinzip gut. Nicht umsonst investieren
* die Samwer-Brüder (ehemals Jamba), die inzwischen keine Klingeltöne mehr verkaufen, sondern
Risikokapital an aussichtsreiche Startups vergeben, auch in StudiVZ. Aber das hat freilich nichts zu bedeuten
*! Genauso hat auch HB-Ventures das StudiVZ in sein Portfolio
* aufgenommen. Derweil wird beim Vorbild
Facebook aus den USA über einen Verkauf an Google für satte 2,3 Mrd U$ spekuliert
*.
In diesen Gedanken versunken bemerke ich, wie M. begeistert plaudert: "Jaja, das ist ziemlich toll, man kann Freunde finden und sich unverbindlich kennen lernen. Und alte Schulfreunde wiederfinden kann man auch!" Soso, denke ich, haben sie also zurecht den 1. Platz
* beim OnlineStar 2006 in der Kategorie "Soziale Netzwerke" bekommen? Klar, das Portal ist populär, das spüre ich. M. versucht mich zu überreden. Ich entsinne mich, wie ich vor ein paar Tagen im Bus ein Gespräch mithörte: "Warum hast Du Dich angemeldet?" Darauf: "
Ich wurde von meinen Kommilitonen dazu genötigt." Nun bin ich in der gleichen Situation.
Soll ich mich anmelden? Soll ich das Projekt StudiVz nur ablehnen, weil dessen Mitbegründer Ehssan Dariani ungeniert Mädchen in der U-Bahn angräbt (
Video)? Oder gibt es vielleicht noch bessere Gründe, nicht "drin zu sein"?
"Mein Dekollete ist eine Waffe"Solche oder andere kreative Namen tragen manche der über 50.000 Themengruppen, die es den Studierenden ermöglichen, sich in verschiedensten Interessengruppen virtuell zu organisieren. Da gibt es Gruppen wie die "Grillenden Juristen", die Deutschen Patrioten
* oder die Anti-Zecken-Liga
*. Ich bin unentschlossen. Brauche ich das? Was, wenn sich der
Personalchef bei künftigen Bewerbungen zuerst einmal meine Freunde im StudiVZ anschaut? Wird es dem Portal eines Tages so ergehen, wie dem amerikanischen Vorbild? Das wurde vor einer Weile von Studenten des MIT gehackt und es wurden Facebook dabei 70.000 Nutzerprofile gestohlen, also voll einsehbar und offline verfügbar gemacht. Die AGBs machen es mir klar: Bis auf eventuelle Profil-Crawler, erfolgreiche Datenbankhacker oder schlcihtweg Sicherheitslöcher sind meine Daten also sicher. Nun gut, dennoch ist die
Kritik vielfältig und zum Teil auch berechtigt.
Viele Nutzer regen sich über
Probleme mit den Servern* auf, aber das ist längst alles. So sorgte ein Kommentar
* der Betreiber in der Bloggerszene -zu Recht- für Aufruhr. Soll da etwa Zensur geübt werden? Warum können die AGBs und Datenschutzrichtlinien einfach so jederzeit geändert werden?
Von Erfolg, Unterschichten und ArroganzDen Betreiber läßt das kalt. Man amüsiert sich über den eigenen Erfolg, der bis dahin geht, dass es sogar eine Satire zum StudiVZ gibt: Das
PennerVZ! Solcherlei gesellschafts- und gruschelkritische Aktionen lassen sich leicht verdauen, für einen Dienst der weit schneller wächst als der Großvater, nämlich das Buisness-Netzwerk
openBC. Die mittlerweile weit über 30 Mitarbeiter des StudiVZ haben ein gesundes Selbstbewußtsein. In Kürze werde es keine Konkurrenz mehr geben, sagen sie. Um den Mitbewerbern das Leben noch ein bisschen schwerer zu machen, sicherte man sich auch gleich Domains wie Unister.at und StudyLounge.co.uk - beides Namen direkter Konkurrenten.
Am Ende bleiben nur Fragen offen: Wird die Wirtschaftschaftswoche
* Recht behalten? Warum ist die Domain voelkischerbeobachter.de auf einen gewissen Ehssan Dariani eingetragen? Und: Was soll man tun? Mitmachen? Dagegen arbeiten oder sich gar einen Job bei StudiVZ Ltd. besorgen?
Ich gelobe M. Besserung und verabschiede mich.
#abd