Kompliziert sagtest du. Ich moechte grundlegend keine Konfusion aufheben, weil ich das niedlich finde, auch, wenn man an den Raetseln und Chiffren in deinen Tagebuechern verzweifeln mag, so ist es doch auf diese Weise eine viel ansprechendere Herausforderung. Kurz gesagt: ich bin froh wieder von dir lesen zu koennen. Liebe also. Liebe, Entfremdung, Gewoehnung sind keine unbekannten Topoi in der Philosophie. Damit bastelten sich schon die alten Griechen Gruende fuer das, was sie taten: leben und ihr Leben reflektieren. Um mich kurz zu Fassen, verweis ich mit diesem Anspruch kurz auf den Sachverhalt, der mir zu denken gibt: du schreibst Liebe gibt es wohl nicht, aber wie kann man sagen etwas gibt es nicht, wenn es das nicht gibt? In irgendeiner Form mußt du auf etwas referieren, daß der Bedeutung Liebe gleichkommt. Jetzt erst entlarvt sich die Kompliziertheit: Liebe! Steht im Lexikon und wird ganz lustig erklaert. Komisch wirkt es, wenn man dieses Geschriebsel mit anderen Lexika vergleicht; bizarr im direkten Vergleich zu den verschiedenen Kulturen und absurd erscheint der Begriff im Wertewandel der Zeitepochen. Es ist ganz offensichtlich, daß es eben diese eine Liebe nicht gibt, ebenso wie es keine absolute Wahrheit, oder wirkliche Wirklichkeit gibt, die wir alle gleichermaßen erkennen koennen. Damit arbeiten nur noch die Psychologen, oder eben jene die Paul Watzlawik nicht kennen. Offensichtlich ist ein solcher Begriff nicht auf der Objektebene anzuwenden, sondern vielmehr in der Beziehungsebene zu vermuten. Allerdings geb ich nicht viel auf eine metaphysische Erklaerung vom Wesen der Liebe, da sich das Phaenomen individuell anders strukturiert. Das heißt aus meiner Perspektive ergibt sich das Hirngespinst Liebe nur als Sprache, also als Faehigkeit des Menschen, die nicht ausschließend ist, also auch das Fremde mit einbezieht. Liebe sozusagen als ein Diskurs zwischen ICH und der Welt, die sich durch die Subjekt-Objekt-spaltung notwendig ergibt, nicht aber als nur alleinige Leistung irgendeines Subjektes. Die graduellen Stufungen "Selbstliebe" et cetera (-> Platon) sind nur gedankliches Beiwerk und waeren aus holistischer Sicht nur eine Schattierung mit Schattenseiten. Die Gefahr besteht sich in vordergruendigen Klischees, oder gesellschaftlich vorkonstruierten Postulaten zu verfangen. Nun fuer dich (Eva) lautet mein Rat: lasse keinen Hiatus zu! Ohne mich selbst jetzt im laecherlich wirkenden Szientismus zu verzetteln: eine ganzheitliche Betrachtung der Liebe in ihrer Zweckfreiheit, Grenzenfreiheit, ohne Rezepte und Konzepte, nur Chaos. Sei, was du scheinen willst, entdecke dich jederzeit wieder neu. So oft du willst. Damit werden die "Fremde" und "Gewohnheit" zur Randproblematik, die sich im Licht der (klischeefreien) Liebe mit Neugier und Passion als etwas "Neues" entdecken und erforschen lassen. Welche Konstruktion von Liebe hast du selbst? Manchmal kann man es auch nicht in Worte fassen, genausowenig, wie man etwas vollkommen verstehen muß. Es liegt aber an dir, wie weit du als Mensch reichen willst.