Mit der Notenvergabe ist das ja so eine Sache. Wer hätte das nicht schon erlebt? Leistungsbewertung beginnt nicht erst in der ersten Schulklasse, auch für spätere Waldorfschüler nicht. Schon lange vorher gibt’s von den Eltern ein „Fein gemacht.“ oder ein im umgekehrten Fall irgendein beliebiges Verbot. Manchen Kindern wird die eigene Wahrheit auch im wahrsten Sinne des Wortes „eingebläut“. Im Kindergarten erhältst du ein Bienchen oder keins, in der Schule versucht man die Quantifizierung mit Zahlen von 1 bis 6 und in spätestens im Abitur kommt dann als Leistungsbewertungsdiversifikation das Punktesystem hinzu. Das Grundproblem für die BewerterInnen bleibt immer dasselbe: wie transformiere ich Qualitäten in Quantitäten? Ebenso die aus der Bewertung resultierende Frage für die Bewerteten: Wie transformiere ich die quantitative Note wieder in eine für mich wichtige Qualität um? Und bei all dem meine ich nicht nur jene Qualitäten bzw. Quantitäten, welche gelegentlich in Schul-Soaps à la "Schulmädchen" bei RTL behandelt wurden.
Auch bei SeminarleiterInnen, DozentInnen oder ProfessorInnen entsteht die Bewertung aus vielerlei Einflüssen heraus. Was hat der oder die BewerterIn vor der Urteilsentscheidung gegessen? Gab’s einen leichten Salat oder ein dickes Eisbein? Oder aus Zeitmangel mal gar nichts? Vielleicht hatte er oder sie am Tag zuvor auch Stress mit Frau, Mann, Kind, Arbeit oder einfach mal einen Durchhänger gehabt? Im Glücksfall kommt es einem eventuell zu Gute, dass der Notenrichter (ich bleib jetzt mal beim Maskulinen) gerade auf Wolke 7 schwebt, die ganze Welt umarmen könnte und man selbst nicht so recht weiß, warum man denn nun eine so gute Note erhalten hatte. Machen wir uns nichts vor: Notenvergabe besteht wohl zu 80-90% aus Un- bzw. Unterbewussten.
So frage ich mich auch heute – fast 10 Jahre nach meiner letzten Prüfung – noch, warum ich gerade in der Prüfung, wo ich m.E. nachweislich „keinen Plan“ hatte und mir am Prüfungsvortag von Kommilitonen den Prüfungsstoff bzw. das gesamte Prüfungsfach erklären ließ, meine beste mündliche Note bekam. Die Prüfung, für die ich am längsten gelernt hatte (die letzte im ganzen Studium überhaupt), wurde meine schlechteste.
Bei mündlichen Prüfungen erfolgt die Bewertung zum einen in einer recht kurzen Zeit (draußen warten schon die nächsten) und somit entsteht auch für den Bewerter ein unterbewusster Druck. Bei schriftlichen dagegen vergeht eine mehr oder minder lange Zeit und es erfolgt gegebenenfalls eine Nachkorrektur. Doch offenbar auch nicht immer wie ein Freund von mir vor 12, 13 Jahren nach einer VWL-Prüfung feststellen konnte. Er war durchgefallen und erkundigte sich persönlich, weil er sich das nicht vorstellen konnte. Paar Tage später traf ich ihn wieder und er hatte eine „2“; ein Blatt war offenbar übersehen worden. Tja, das kann schon mal vorkommen bei 400 StudentInnen.
Da könnte man den Profs wohl glatt mal vorschlagen, dass die Bewertung zu zwei Dritteln aus Prüfungsfragen bestehen könnte und das letzte Drittel ausgewürfelt wird. Nicht umsonst gibt es ja die Zahlen „1“ bis „6“ auf dem Würfel.
In diesem Sinne, „Würfelauge bleib’ wachsam“ - ein notenskeptisches und fröhliches Semester wünscht Micha.
eigentlich wollte ich eine Pause machen ... habe ich ja auch; solange bis mir einige m.E. Dinge, des Schreibens und Sendens wert, erscheinen.
Ich denke, bzgl. eines Fazit aus der letzten Kolumne hat sich nicht allzu viel verändert: "Dieser Thread ist wohl wie das richtige Leben ... irgendwo kommt 'ne Meldung, dann viel Lärm um nichts und etwas brauchbares steht zwischen den Zeilen." Hmm, vielleicht habe ich unbewusst gehofft, dass sich der Lärm zwischendrin abschwächt; dann würde nur das übrig bleiben, was für mich den Sinn einer Kolumne oder Glosse ausmacht: Eine (Wort)Meldung und das Brauchbare zwischen den Zeilen.
Letztlich hat die Diskussion der letzten Tage genau an den Punkten gemangelt, um welche es mir ursprünglich ging:
1. Qualitäten für sich selbst festzulegen bzw. vielmehr zu erkennen, was Qualitäten überhaupt alles sein können. In diesem Punkt wage ich keine Prognose, hoffe jedoch auf die Leser, die zwischen den Zeilen lesen.
2. Selbst zu entscheiden und sich weniger von anderen irritieren zu lassen. In diesem Punkt erlebte ich erneut (so wie bei der letzten Kolumne) ein typisches Herdenverhalten. Um seiner eigenen Meinung mehr Kraft zu geben, wird nicht selten wortgewaltig (ich meine dabei die Schlagkraft, nicht die Ausdauer) ausgeholt und andere als UnterstützerInnen quasi mit ins Boot gezerrt. Manches mal kam es mir schon fast wie eine "mentale & seelische Vergewaltigung" vor ... und naja, das zu beobachten ist nicht immer schön ... doch so ist es wohl (noch).
3. Eine gewisse Selbstbeobachtung beim Posten Den Punkt abzupassen, wo es sich wirklich nicht mehr lohnt, etwas zu schreiben ... Was würde passieren, wenn ich zwischen dem Schreiben und dem Klick auf "Absenden" noch einen Moment inne halten oder auch fünf Minuten ... und dann noch einmal in sich zu gehen; z.B. mit den Fragen "Ist es mir das wirklich wert?", "Was will ich wirklich damit erreichen?"
4. Das Humor auch diese Bezeichnung verdient Nach meinem Empfinden würden manche einigen Beiträgen gut tun ... und anderes wirkt dadurch eher trollig ... doch jede/r hat eben seine eigene Sprache ...
Alles in allem bin ich ja als Glossenschreiber irgendwie auch der Auslöser dieser ganzen (Meta-)Diskussionen, das wusste ich vorher und werde es auch in zwei, drei Wochen noch wissen, vermute ich. Insofern sah und sehe ich mich in mehreren Rollen: als schreibender Auslöser, als auslösender Schreiber, als moderater Moderierender ... Nein, alle selbst gesteckten Ziele habe ich sicher nicht erreicht - die o.g. Punkte 1-4 treffen haargenau auch auf mich zu. Die meisten Dinge erkennen wir manchmal erst nach Tagen, Wochen ... mitunter Jahren. Wahrscheinlich werden einige mitten in der Prüfung hoffen, dass ihnen diese Diskussion hier aus dem Kopf geht bzw. sie etwas für sich selbst daraus ziehen können. Ja, das wäre mein ehrlicher Wunsch ...
Und insofern wusste ich auch irgendwann, dass ein Thema wie "Notenvergabe" wohl auch besser kurz oder mitten in der Prüfungsphase angebracht wäre. Momentan ist quasi eine notenfreie Zeit ... wen interessiert da wirklich eine Diskussion bzw. ein Nach-/Weiterdenken über Notenbewertungen etc.? Ich kam ursprünglich aus der Schiene "Würfelspiel" auf dieses Thema und habe es dem studentischem Alltag anzupassen versucht ... ob es gelungen war oder nicht, überlasse ich jedem einzelnen zu entscheiden.
Soviel zur qualitativen Selbstkritik ... vorerst.
Ja, ich habe ab und an geschaut, wie sich die Klickzahl nach oben schwang ... wie werte ich diese Quantität in Qualitäten um?
Ich weiß es nicht genau, denn was sind Zahlen? ... Danach kräht morgen kein Hahn mehr ... Doch ich weiß, dass ich es irgendwann wissen werde, was das alles zu bedeuten hat(te) ...