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>Willkommen im Tollhouse Neues Rechenzentrum an TUD

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post 23 Dec 2006, 05:24
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seit: 22.10.2004

Eine Spätsommernacht in Dresden. Es ist Vollmond. In der Rettungleitstelle geht ein Notruf ein: Vom Dach des Trefftz-Bau steigen Rauchwolken auf! Die Feuerwehr rückt mit einem Löschzug aus - schon mit der Vorahnung, dass da gar nichts brennt. Die Dampfwolken der Kühltürme des neuen Hochleistungsrechenzentrums haben einen Passanten in Aufregung versetzt.



Was macht die heiße Luft über dem Physikgebäude?

Vier Kühltürme mit der 10.000fachen Leistung eines Haushaltskühlschrankes sorgen dafür, dass die neue Großrechenanlage der TU Dresden nicht überhitzt. Es ist aber mehr als heiße Luft, die seit November dieses Jahres dort produziert wird: 2000 CPU-Kerne von Intel und 2500 CPU-Kerne von AMD bilden das Herzstück zwei neuer PC-Farmen für datenintensive Computeranwendungen.

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Bevor wir uns darauf genauer einlassen, stellt sich zunächst die Frage, wie Dresden zu dieser "Mega-Maschine" gekommen ist. In den achtziger Jahren wurde hier eine БЭСМ-6* betrieben. Nach der Wiedervereinigung wurde ein VP-2000* und ein IBM 3090* installiert. Mitte der Neunziger taten bis vor Kurzem Rapunzel & Co* ihren Dienst.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Bild links:
Peter Fischer vom ZIH arbeitet mit dem Supercomputer an einem Hack für eXmatrikulationsamt.de und Nutzer Hagen77 ,-)






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Das wassergekühlte System: Die Schränke zu öffnen ist keine ungefährliche Sache: Der Luftstrom darf nicht abreißen.
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Der "Festplatten-Roboter": In der Bildmitte schlecht zu erkennen ist der Roboter-Arm, der Festplatten (je links & rechts) nach Bedarf aus dem "Regal" holt.


Das Projekt

So wie auch euer privater Rechner entweder euren Studienbeginn oder das -ende erlebt, so ist die Lebenserwartung eines Großrechnersystemes,für deren Erwerb nicht mal ein Sechser mit Zusatzzahl ausreichen dürfte, nicht länger als die normale Regelstudienzeit. So begannen 2004 die Überlegungen seitens des Verwaltungsrates des Deutschen Forschungsnetzes (DFN) zur Neuansiedlung eines wissenschaftlichen Zentrums der Datenverarbeitung in den neuen Bundesländern unterstützt durch den Direktor des ZIH, Prof. Dr. Wolfgang E. Nagel*.

Aufgrund der Tradition Dresdens als bekannter Standort in diesem Bereich fiel die Wahl auf Dresden. Ein halbes Jahr lang lief die europaweite Ausschreibung. Nachdem das Team des URZ die Anforderungen spezifiziert hatte, beteiligten sich von den 10 Interessenten noch 3 in Form eines konkreten Angebotes. Das zeigt die bisher noch nicht umgesetzte Architektur und den hohen Anspruch des Projektes. Die Wahl als ausführende Firma fiel auf SGI* für den Aufbau einer PC-Farm bestehend aus Intels Itanium2 Prozessoren und Linux Networks aus Salt Lake City für die Montage AMD Opteron Farm. Insgesamt wurden 15 Millionen Euro investiert, je zur Hälfte vom Bund und vom Land.


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Leider gibt es bei Baumaßnahmen auch immer wieder einmal auch unliebsame Überraschungen. Im September kam es nach einer Havarie an der unterbrechungsfreien Stromversorgung (USV) zum Ausfall der ZIH-Dienste, des Datennetzes sowie der Internetanbindung. Oder man streitet sich auch schonmal darum, wer denn putzen muß. Im Ernst: Dazu kommt es, wenn der Bauherr (letztlich das Finanzministerium) sich nicht verantwortlich fühlt und der Betreiber (die TU Dresden) das Gebäude noch nicht übergeben bekommen hat.
 
Das Zentrum für Informationsdienste und Hochleistungsrechnen (ZIH) stellt alle für uns mittlerweile selbstverständlich gewordenen Dienste der Informationstechnik zur Verfügung. So müssen zum Beispiel für die insgesamt 48.000 Nutzer jährlich 35 Mio E-Mails verarbeitet werden und die Nutzung von PC-Programmen, Diensten wie Drucken, Scannen oder Webspace und natürlich der Zugang ins World Wide Web ermöglicht werden.



Das neue Hochleistungsrechenzentrum gliedert sich in dieses Leistungsspektrum als Plattform für die Ausführung spezieller daten- und rechenintensiver Anwendungen ein. Jeweils eine Etage nehmen die Reihen vollbesetzter Serverschränke der Itanium- und der Opteron-Rechner in Anspruch und nutzen dabei 6 bzw. 4 TeraByte Hauptspeicher. Das Hauptsystem, das auf den Namen "Tollhouse" getauft wurde setzt sich aus 2048 Itanium2-Kernen die jeweils mit 1,6 GHz getaktet sind. Allein dieses SGI-Tollhouse-System in der zweiten Etage wiegt 18 Tonnen und wird mit Luft gekühlt, die mit 8 m/s durch die Rechner bläst. [Anm. marv: Das heißt pusten!] Die Klimananlage wird interessanterweise mit Heißwassser betrieben: Sie arbeitet mit der Absorbtionskälte. Der Stromverbrauch des ZIH ist gigantisch: Der 1,2 Megawatt-Anschluß kostet eine Million Euro im Jahr und läßt sich mit 600 Haushalten vergleichen.
Damit zählt Dresden zu einem der schnellsten Hochleistungsrechenzentren Deutschlands. Dabei ist der schnelle Zugriff mit max. 8 GB/s auf das insgesamt 118 TeraByte fassende Storage Area Network (SAN) das Besondere an diesem Super-Computer. Stellt Euch vor, jede Sekunde werden hier 2 DVDs transferiert. Das System ist also eher für daten- als für rechenintensive Aufgaben, konzipiert und erreicht eine Rechengeschwindigkeit von max. 11,9 Teraflops. Unterstützt wird das System von einer PC-Farm bestehend aus 2584 2,6 GHz Opteron-Kernen, die mit 4 GB/s an ein weiteres Storage-System mit 50 Terabyte angebunden sind. Beide Farms werden mit einem vom Hersteller angepassten Linux (Suse Enterprise Server 10) betrieben. Für Backups steht ein sog. "Tape-Silo" mit insgesamt 1 PetaByte (http://de.wikipedia.org/wiki/Byte) Speicherkapazität zur Verfügung. Das entspricht weit mehr als 100.000 Kinofilmen.

Professor Wolfgang E. Nagel, Direktor des ZIH, erläutert den Ansatz so: "Wir wollten nicht ein weiteres Rechenzentrum einrichten, das im Wesentlichen nur Numbercrunching unterstützt. Unser Fokus ist, der wissenschaftlichen Computing-Gemeinde ein neuartiges Instrument, einen neuen Typ von HPC-Tool* zur Verfügung zu stellen. Nicht die üblichen Simulationsprobleme stehen hier im Vordergrund, es geht uns mehr darum, den Anwendern eine Plattform zu liefern, mit der sie aus Unmengen von strukturierten oder unstrukturierten Daten, welche viel verstecktes Wissen in sich tragen, neues Wissen, mehr Wissen, dichteres Wissen extrahieren und herausarbeiten können." [Quelle]

Trotz alledem ist das Tollhouse-System allein schon das drittschnellste in Deutschland. Weltweit liegt die TU Dresden derzeit auf Platz 49 der Top-500 der Super-Computer. Die zweite Farm liegt weltweit auf Platz 106. [siehe Top500]

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Wozu das alles?

Man wird beispielsweise Simulationsanalysen zum Einfluss von Metabolismus und externen Wachstumsfaktoren auf die räumliche Strukturbildung von Hefen untersuchen. Man analysiert kollektive Musterbildung von Mikroorganismen und simuliert Signalwege im Bereich der Zell- und Mikrobiologie. Sonst müssten sich viele studentische Hilfskräfte mit der Auswertung tausender Bilder aus Mikroskopen befassen, was natürlich mehr Zeit & Geld kosten würde. Oder man optimiert bauphysikalische Simulationssoftware für Statik-Berechnungen. Der eine oder andere wird sich sicherlich noch gern an die "Finite-Elemente-Methode" erinnern.



Das heißt also, das System wird für Grundlagenforschung auf verschiedensten Gebieten verwendet. Egal ob Maschinenbauer oder Biologe, jeder kann die Kapazitäten des Systems nutzen. Je nach Anforderung werden entsprechend viele Rechnerknoten bereit gestellt. Bezahlt wird übrigens nicht nach Zeit, sondern nach Stromverbrauch.

Nebenbei...

... erinnert ihr euch an die Uhr am Giebel des Trefftz-Baus? Die Astronomische Uhr, gebaut von Professor Willers wurde demontiert und auf der Ost-Seite des Willers-Baus wieder angebracht. Sie steht unter Denkmalschutz. Ein kleiner Wermutstropfen bleibt für das ZIH - für die Unterbringung des Uhrwerkes geht den Mitarbeitern einiger Platz verloren.

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Mehr Bilder von unserem Besuch im ZIH für eXma findet ihr ebenda.

presented by marvinTheRobot & abd


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..:: Wir sind gekommen Dunkelheit zu vertreiben, in unseren Händen Licht und Feuer ::..
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abadd0n   Willkommen im Tollhouse   23 Dec 2006, 05:24
Pommeraner   sehr interessant - danke für den bericht und die f...   23 Dec 2006, 12:12
Binhpac   Richtig guter Artikel! Respekt! Informativ...   23 Dec 2006, 17:06
1tein   Schicker Artikel! :) Nebenfrage: Schaut der...   23 Dec 2006, 18:31
mArVinTheRobot   Auch wenn ich jetzt einen Mythos zerstöre: Nein....   23 Dec 2006, 18:40
mArVinTheRobot   Das ist ein richtiger Hacker! :D Maus is w...   04 Jan 2007, 11:16
Julschn   Ach deshalb hast du sooooo viele!!!...   04 Jan 2007, 11:32
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