„Ein Ohrwurm ist ein guter Henkel, aber im Topf muß auch was drin sein“
„Die Kleingeldprinzessin“ im Gespräch
Dota Kehr, 27, ist „Die Kleingeldprinzessin“, vermutlich weil sie bereits als Jugendliche auf den Straßen Berlins und anderen Großstädten der Welt musiziert hat. Im Jahr 2003 veröffentlichte Sie ihre erste CD unter eigenem Namen in Zusammenarbeit mit den Stadtpiraten Sebastian Vogel (Bass), Janis Görlich (Schlagzeug), Johannes Feige bzw. Jan Rohrbach (E-Gitarre). Auf brasilianisch bis jazzig anmutenden Klängen gleiten Ihre vielschichtigen deutschen Texte in des Hörers Ohr und machen glücklich. Auf dem aktuellen vierten Album „Immer nur Rosinen“ wird die königliche Stammbesetzung mit instrumentalischen Gastauftritten u.a. von Bratsche, Orgel und Cello unterstützt. Am 14.12. 2006 ist Dota Kehr wieder im Dresdner L’Houp zu Gast, an der Gitarre begleitet von Jan Rohrbach.
Frage: Du kommst aus Berlin, einer Stadt die alles hat, kann und will. Was verbindest du mit Dresden?Dota: Eigentlich sogar recht viel. Meine Schwester wohnt da, meine beste Freundin hat in Dresden studiert und als ich sie das erste Mal besucht habe, im Jahr 1999 oder 2000, war gerade Bunte Republik Neustadt. Das war total cool, ein tolles Straßenfest mit Bands und so einer relaxten Hinterhofatmosphäre. Menschen machten handgemachte Musik und verkauften belegte Brötchen. Damals habe ich gedacht, auf der BRN würdest du auch gerne einmal spielen. Am Schluß gab es dann noch Randale, ein bisschen wie beim ersten Mai in Berlin.
(
Kurze Pause und dann schweift sie gedanklich ab.)
Eigentlich ist es total bescheuert, aber es hat immer etwas von einem Sportfest: Alle wollen rennen, wollen dass was passiert. So eine Art notwendiges Ventil. Es geht ja nicht um Revolution, sondern um ein bisschen Steineschmeissen und rennen. In Deutschland, einem so institutionalisierten Land, ist das eine fest planbare Randale. Alle fühlen sich mal richtig lebendig, erleben Aufregung. Es ist weit weg davon, eine ernst gemeinte politische Manifestation zu sein, die es zum Glück auch gibt.
Warum kommt Ihr dieses Mal nur als Duo nach Dresden?Wir spielen richtig oft zu zweit, ich und Jan, manchmal trete ich sogar allein auf, da es viele Läden gibt, in denen man gar keinen Baß und kein Schlagzeug spielen kann, wegen der Anwohner. Unser Schlagzeuger ist verhindert, außerdem spiele ich danach in Freital und da war sowieso klar, dass ich nicht mit der ganzen Band auftreten kann.
Ihr spielt wieder im Keller des L’Houp? Ist das Bescheidenheit oder Fehlplanung?Der Grund dafür ist ein wenig die Faulheit, sich nichts anderes suchen zu wollen, immer wieder Demos zu schicken und ständig Leute zu überzeugen. Ich würde die Zeit viel lieber nur dafür investieren, um Gitarre spielen zu üben. Der Ort ist eigentlich viel zu klein, aber es bleibt immer die Angst es würden nicht genug Leute kommen. Außerdem gibt es die Loyalität zum Betreiber des L’Houp. Der hat uns seit 2004 unterstützt, als uns wirklich noch gar keiner kannte in Dresden. Aber das nächste Mal kommen wir wieder mit allen Bandmitgliedern und suchen uns was größeres.
Was hälst Du von den Veränderungen, die seit geraumer Zeit in der Neustadt zu spüren sind?Die Neustadt heute ist eher wie der Prenzlauer Berg in Berlin. Komplett saniert, viel teurer, nur noch Bars, nur noch Lifestyle. So war mein Eindruck, als ich das letzte Mal dort war.
Noch etwas: Es war ganz komisch, als ich das erste Mal allein in Dresden gespielt habe. Die Leute waren alle so krass verschlossen, haben gar nicht gelacht oder geklatscht beim Konzert. Sowas habe ich noch nie erlebt. Doch am Ende haben sie CDs gekauft und gesagt, es hätte ihnen gefallen. Danach meinte irgendjemand zu mir, das sei typisch für Dresden.
Wann hast Du angefangen zu musizieren?Ich habe als Kind Saxofon und ein wenig Klavier gespielt, später dann in einer Band. Mit 14 oder 15 war es eine Art Mutprobe auf der Straße Musik zu machen. Später habe ich mit Freunden gespielt und auch gesungen. Wir haben manchmal ein paar Tage zwei bis drei Stunden gespielt und konnten davon verreisen. Ich war mal in Südamerika und habe auch dort auf der Straße musiziert. In Brasilien wird das allerdings als Betteln angesehen, während sich die Menschen in Equador gefreut haben und fast immer Geld gegeben haben, auch wenn sie gar nicht viel hatten.
Stammt daher die Zeile „Ich wär gern ein Jahr lang ein Straßenkind in Equador?“Die habe ich tatsächlich geschrieben bevor ich da war.
(Sie schmunzelt und wird dann ernster.) Aber ein Straßenkind zu sein wär sicher sehr hart. In dem Lied wär ich es ja nur gerne, um zu sehen wie sich mir die Welt dann zeigt.
Denkt man an deutsche Liedermacher, fallen einem zuerst Funny van Dannen oder Element of Crime ein. Habt Ihr als Band einen Wunschpartner in Sachen Zusammenarbeit?Oh, mit einer ganzen Menge Leute würde ich gern arbeiten. Es ist toll sich auszutauschen. Funny van Dannen mag ich total gerne, aber mit ihm zusammenzuarbeiten; da käme man vielleicht nicht auf einen Nenner. Ich kann leider nicht so lustige Sachen schreiben. Mit Element of Crime würde ich gerne was machen, aber die Agentur hat sich nie gemeldet, nachdem ich ihnen eine CD geschickt und angefragt habe, ob wir als Vorband auftreten könnten. Aber mir fällt gerade noch was ein...Gerhard Schöne. Und das ist eine ganz lustige Geschichte. Bei „Alles Du, alles Dur“ zitiere ich ja eine Zeile von ihm („Ein bergendes Zelt, mit dem Fenster zum Himmel und der Türe zur Welt“). Ich hab ihn gefragt, ob das klar geht und er mochte meine Musik offensichtlich ganz gern und hat unsere CD an seine Plattenfirma, an Klaus Koch von Buschfunk, weitergegeben und der hat uns in seinen Vertrieb genommen.
Wie bekannt wollt Ihr eigentlich werden?Es ist vermessen sich so etwas wie bekannt werden vorzunehmen. Aber ich finde es eine schöne Vorstellung, Sachen im Radio laufen zu haben. Weil man oft so enttäuscht ist ob der Dinge die da so gespielt werden. Ich bin zufrieden wie bekannt wir jetzt sind. Mein wichtigstes Ziel ist gute neue Lieder zu schreiben. Wieviel Resonanz das beim Publikum findet und wieviel zum Konzert kommen überlasse ich den Leuten. Wir spielen zwischen Kiel und Freiburg, Köln und Görlitz, also deutschlandweit. So handeln wie in der Popindustrie, den Leuten irgendeinen Ohrwurm in den Kopf zu drücken, ist nicht mein Ziel. Ein Freund von mir hat mal gesagt: „Ein Ohrwurm ist ein guter Henkel, aber in dem Topf muß auch was drin sein“. Publikum in Quantität ist nicht unbedingt erstrebenswert. Überall wo wir spielen kommen ganz sympatische aufgeschlossene Menschen hin. Jeder hat das Publikum das er verdient. Sogar Dieter Bohlen.“
(Grinst. Dota hat mal für die Berliner Konzertbühne an der Wuhlheide gearbeitet)Gibt es irgendwas, was Du zum neuen Album „Immer nur Rosinen“ sagen willst?Also, das Album. Es ist kein Konzeptalbum, es ist wieder wie bei „Blech und Plastik“ eine Sammlung von Stücken die mir über ein Jahr eingefallen sind. Ein paar über Beziehungen, ein paar gesellschaftskritische oder auch irgendwie politische Lieder wie „Fluch des Schlaraffenlands“ und „Funktionalisierer“. „Der Kanal“ natürlich, der ist hier um die Ecke, also da wo ich wohne und darum geht’s in dem Lied. „Menschenklone“ ist von der Live-CD und auf der neuen mit Orgelspiel unterlegt. Sehr zufrieden bin ich mit dem Titel „Immer nur Rosinen“ (eine Zeile aus „Der Fluch des Schlaraffenlands“). Das ist textlich gut auf den Punkt gebracht. Man will sich gar nicht beschweren, uns geht’s ja super. Aber die Sachen über die man sich dann beschwert, da denke ich oft: Das ist halt der Fluch des Schlaraffenlands, „Es könnte doch so schön und wertvoll sein, wenn es nicht so schrecklich leicht zu haben wär!“
Gibt es eine schönere Stadt als Berlin?„Nein, für mich nicht. Ich wohne hier sehr sehr gerne. Mein Freund meint immer, wenn du woanders aufgewachsen wärst, würde dir diese so am Herzen liegen aber ich verbinde mit so vielen Straßen und Ecken Vergangenheit und es gibt viele Menschen die ich kenne. Ich habe immer hier gewohnt, bis auf die Zeit, die ich in Südamerika war. Hier kann ich mir gut vorstellen alt zu werden.
Nur wenige Sekunden später ist das Gespräch vorbei. Was bleibt ist das schöne Gefühl, dass hinter der Musik der Kleingeldprinzessin auch das Herz einer solchen schlägt. Vielen Dank für das Gespräch!