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Vollständige Version anzeigen: Keine parlamentarische Demokratie in Dt?
hullbr3ach
Zitat
Bundespräsident a..D. Roman Herzog und Lüder Gerken, Direktor des Centrums für Europäische Politik, schlagen Alarm: Immer mehr Entscheidungen deutscher Politik werden in Brüssel vorbestimmt. Angesichts des Machtverfalls des Deutschen Bundestages stellen sie die Frage, ob man Deutschland überhaupt noch als parlamentarische Demokratie bezeichnen kann. Die EU-Verfassung löse dieses Problem nicht, sondern verfestige eine intransparente Union, die zu viel Macht an sich ziehe. Ein Plädoyer für ein bürgernahes Europa

Nachzulesen in einem interessanten Artikel der Welt.

Was meint ihr dazu? Wird Deutschland mittlerweile "ferngesteuert"?
Pusteblumenkohl
Ist doch am Beispiel der Privatisierung von staatlichen Institutionen zu sehen.
Da es in Dtl. auf große Ablehnung stieß, wurde es von SPD Seite über Brüssel durchgesetzt.
Die Entwicklungs ist dahingehend wirklich problematisch.

tingel
Der Analyse von Herzog kann ich voll zustimmen, ich finde Europa eine große Idee, aber leider entwickelt sich das stark in Richtung Riesenkrake.
Insbesondere die Entmachtung der nationalen Parlamente ist sehr bedenklich, ich kenne noch die Zeit, wo das schon mal so war. Ich kann nur immer auf die Vorstöße der Bundesregierung für die Einführung von Softwarepatenten verweisen. Dazu gab es eine eindeutig ablehnende Haltung des Bundestages und des Europäischen Parlamentes, was unsere Regierung, d.h. in dem Fall die Ministerialbürokratie des Justizministeriums, nicht davon abgehalten hat, das im Rat voran zu treiben. Zwischenzeitlich ist es zum Glück erst mal gescheitert... .
Ich frage mich auch langsam, warum ich eigentlich noch zur Wahl gehen soll. Insbesondere die SPD versteht es super ihre Wähler zu verarschen, indem sie auf der einen Seite so tut, als wäre sie die gute alte Partei der arbeitenden Menschen und auf der anderen Seite vertritt sie massiv die Großindustrie (z.B. damals durch den sympatischen Herrn Müller, Vorstandsvorsitzender der Stromverbrecher und Subventionskassierer).
Naja, was reg' ich mich hier auf, ist eh' für'n ... . Geht sowieso früher alles zu Grunde und es kommt was neues, das Römische Reich hat auch nicht ewig gehalten rolleyes.gif
gewaltfee
es gibt dabei grundsätzlich zwei probleme, die grundliegend undemokratisch sind.
1. der rat. da sitzen nicht die parlatmente drin, sondern die regierungen. der kann sich allerdings gegen das parlament durchsetzen. eine gewaltenteilung ist dort nicht gegeben.
2. je mehr menschen ein abgeordneter vertritt, desto mehr fallen hinten runter. ein europaabgeordneter kann wesentlich mehr menschen nicht-vertreten, als ein nationaler.
gerade bei der komplexität heutiger probleme, sind wechselnde politiker (egal ob exekutiv oder legislativ) immer auf erfahrene fachleute angewiesen. die sitzen in den oberen beamtenrängen. da wird ne menge vorentschieden.

wobei ich da selbst im bundestag eine zu hoch angesetzte ebene sehe, aber das ist ein anderes thema.

die probleme die wir da sehen, resultieren nicht aus der eu, sondern aus diesen zwei faktoren.

einen schönen abend noch
fee

PS: natürlich liegen die dinge komplexer, aber ich denke der überblick stimmt so weit.
SnakePlissken
Das Problem ist nicht die EU sondern der Bundestag selber. Neue EU-Richlinien müssen erst
durch den nationalen Gesetzgebungsprozess und in nationales Recht umgesetzt werden. D.h. der
Bundestag kann immernoch die Zustimmung verweigern.

Das Problem ist also eher die EU-Hörigkeit der Bundestagsabgeordneten. Diese vertreten oft die
Einstellung dass sie Vorlagen aus Brüssel abnicken müssen. Auch findet zu
EU-Beschlüssen oftmals keine Diskussion im Bundestag statt.

Ein schönes Beispiel ist da immer die TK-Vorratsdatenspeicherung. Ein Jahr nachdem sich der
Bundestag sehr geschlossen gegen eine solche präventive Überwachung ausgesprochen hat
kommt der Innenminister mit einem solchen Beschluß aus Brüssel und dieser wird weitesgehend
ohne Diskussion abgenickt.
gewaltfee
eu-gesetzgebung ist allerdings soweit ich weiß bindend, sofern sie nicht gegen einen verfassungsgrundsatz verstößt. oder wie war das mit der seilbahnverprdnung in meck-pomm? und täglichen strafzahlungen von 300.000 euronen, an jedem tag über der frist?
hullbr3ach
Richtlinien muessen innerhalb einer bestimmten Frist in nationales Recht umgesetzt werden. Geschieht das nicht, kann ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die verletzende Nation eingeleitet werden.

Das erstaunliche ist, dass im Konfliktfall mit dem deutschen Grundgesetz die Richtlinie Vorrang hat! D.h. wuerde im EU-Parlament eine in Deutschland verfassungswidrige Richtlinie beschlossen, muesste
a) Deutschland das Grundgesetz aendern, oder
b) Deutschland die EU Vertraege massiv brechen, was im Endeffekt einer Art Austritt gleichzusetzen ist.

Zumindest hat das einer der beiden Landesdatenschutzbeauftragten bei "Datenschatten" so gesagt (Wortlaut habe ich nicht mehr im Kopf).
tingel
Zitat(hullbr3ach @ 23 Jan 2007, 11:11)
...
Das erstaunliche ist, dass im Konfliktfall mit dem deutschen Grundgesetz die Richtlinie Vorrang hat! D.h. wuerde im EU-Parlament eine in Deutschland verfassungswidrige Richtlinie beschlossen, muesste
a) Deutschland das Grundgesetz aendern, oder
b) Deutschland die EU Vertraege massiv brechen, was im Endeffekt einer Art Austritt gleichzusetzen ist.

Zumindest hat das einer der beiden Landesdatenschutzbeauftragten bei "Datenschatten" so gesagt (Wortlaut habe ich nicht mehr im Kopf).

Ich bin kein Jurist, kann mir aber nur schwer vorstellen, daß eine nicht mit dem Grundgesetz zu vereinbarende Richtlinie Vorrang haben sollte. Aus Sicht der EU kann das zwar formal so sein, aber die besitzt nicht die Legitimation, solche Dinge zu entscheiden.
Langsam kann ich mich in die Briten mit ihrer Europaskepsis hineinversetzen. Die steckt ziemlich tief. In London gibt es ein Museum im ehemaligen Regierungsbunker von Churchill. Dort steht draußen als Werbung sinngemäß dran: Without this a united europe would have happened much earlier. Sehr britischer Humor, fast so makaber wie diese Hitler World Tour T-Shirts mit den Überfallsdaten hinten drauf... .
Chris
Europa wird nie etwas. Die ganze Kleinstaaterei wird nie aufhören. Jeder will sich doch sein Stück der Macht erhalten.

Was brauchen wir uns einen Kopf darüber machen, ob die Demokratie in Deutschland noch etwas taugt, bloss weil in der EU viel vorbestimmt wird. Zum einen sind diese Richtlinien erstens Auslegungssache und zweitens auch von uns Deutschen auf europaweiter Ebene mitverhandelt. Zum anderen kann man ja wohl nicht mehr von einer vernünftigen Demokratie reden, wenn man sich so anschaut, was die Politik sich ganz offensichtlich leistet. Siehe z.B. Hamburg, wo kurzerhand ein Bürgerentscheid rückgängig gemacht wurde, oder die Reformbewegungen der deutschen Bundesregierung.

Mir wäre es lieber, wenn Brüssel für alle Staaten ein festes Zepter in der Hand hätte, es gäbe auch mit den festen Entscheidungen des Europaparlamentes genügend, was man noch regieren könnte. Natürlich müsste man dann mehr die Demokratie und das Bewusstsein für Europa fördern, was aber von den Ländern nicht gewünscht wird.
Man will lieber ein wabbeliges Europa, dass seinen Mitgliedsländern gestattet eine andere Währung zu führen, irgendwelche Richtlinien anders auszulegen, so dass man sich nie sicher sein kann, ob denn jetzt das gleiche Recht wirklich überall in Europa gilt.

So wie Europa heutzutage dahindämmert ist es die selbe Wirtschaftsunion wie früher, nur dass man es heute als das Europa des Bürgers verkauft. Vorteile hat der Europäer davon aber eigentlich nicht. Außer er führt ein europäisches Unternehmen.