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Vollständige Version anzeigen: Musik quo vadis
Luzifer
QUOTE (Chino @ 13 Apr 2005, 10:20)
@ hanno:
.. wie funktioniert deiner Meinung nach Werbung? ..

das funktioniert so ähnlich wie der Verkauf von Jägermeister-T-Shirts, wo alle so cool sind und dafür Geld ausgeben, um einmal als cooler Suffi rumrennen zu können.
Ich lass MTV nur beim zappen laufen, wenn grade zufällig Jackass oder sowas läuft; die kaufen der Industrie Tracks samt Video ab und füllen damit ihr Programm. Was is wohl besser als gewollte Werbung? Vor allem, wenn man es jugendnah vermarkten und viel Geld damit machen kann.
Also ich guck mir lieber nachts Rockpalast an.
Von mir aus könnta mir viel erzählen. Ich kannte Nirvana erst als Kurt schon tot war und hab dann auch gemerkt, dasses viele Bands gibt, die es schon davor gab. Irgendwann bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es in einem ganz normalen Jahr einen Riesenhaufen Scheisse gibt, der von Bands auf den Markt geschmissen wird und wennde Glück hast, dann findste unter den aktuellen Alben eines Jahres vielleicht drei oder vier, dies wirklich wert sind.
Wenn ich mir reinziehe, dass die meisten in diesem Forum um fast n halbes Jahrzehnt jünger sind als ich und mehr als die Hälfte davon auf son Scheiss abfahren, der entweder als die neue Revolution der Musikerszene verscherbelt wird oder als etwas neues verkauft wird, weils grade passt, obwohls das schon jahrelang gibt, wie z.B. Violent Femmes, dann brauch ich mich doch nich wundern, dass ich resigniere, wenn ich soviele junge Menschen treffe, die Mando Diao für die Götterdämmerung halten. Und das nur als Beispiel.
Wenn ich dagegen mit irgendwas komme, was nich grade populärverdächtig is und nich ins Programm passt, dann kann ich davon ausgehen, dass die Mehrheit "Scheisse" schreit, wenige sagen, dass es zumindest seinen Wert hat, andere wenige das dann auch gut finden und weitere wenige der Mehrheit in 10 Jahren bemerken, dass es unabhängig von der Popularität zu betrachten is und evtl. das auch gut finden werden.
Das hab ich auch so erlebt, als ich i, TBC aufgelegt hab. Zugegeben: das war nich der Laden, in dem ich mit meiner Sammlung hätte auflegen sollen, weil die einfach n ganz anderes Programm haben, aber da hab ich auch son paar Spinner getroffen, die sich meine CDs angesehn haben, ne Pixies gefunden haben und gesagt haben "Hey, die waren doch aufm FullForce (oder was auch immer)", weil die letztes Jahr seit ihrer Auflösung in den 80ern ma wieder zusammen gespielt haben und weil die Kinders dann neben "Wave of Mutilation", das in jedem zweiten B-Side-Streifen verwurstet wird auch "Bone Machine" kannten, weils anlässlich dieses Festivals ma im Radio lief und das obwohl man davon ausgehen konnte, dass diese Kinders das n halbes Jahr später vergessen haben würden.
Ich meine, wennde Dich ernsthaft mit Musik beschäftigst, mit Bands und deren Alben, dann beschäftigste Dich auch mit deren Vorbildern und den ganzen anderen Hintergründen und genau DAS macht Musikgeschichte aus.
Aber genau das hat Populärscheiss nich, weils nich darum geht, woher etwas kommt, warum man es macht oder sonst irgendwas - es muss einfach nur hip sein.
Wenn ich in nem Filesharingforum mein Rocklexikon anbiete, interessiert das auch niemanden - was will man denn mit Geschichte, wenn man sich mit Sido, Aggro Berlin, Anastacia und was weiss ich was noch alles beschäftigt.

Und genau das führt uns logischerweise zu dem Schluss, dass es einen gewissen Unterschied zwischen "normaler" Musik und populärer (kurzlebiger) Musik führt:
populäre Musik ist Werbung; es sind Stücke, die leicht eingängig sind und über einen geringen Anspruch verfügen.
Das sieht man auch, wenn man sich genauer damit beschäftigt: Apollo440 z.B. hatten damals eine CD rausgebracht, die sie "Gettin' High on Your own supply" nannten und das zweite Stück darauf (also direkt nach dem Intro) war "Stop the Rock", das kurzfristig so populär wurde, dass es auf dem Fifa'99-Game als Titelmusik drauf war.
Ich hab mir die CD damals gekauft und "Stop the Rock" fällt komplett aus dem Rahmen des Albums raus - warum also? Ganz einfach: Weil man ein Stück macht, mit dem man bekannt wird und dann weiter das machen kann, was man immer macht, aber trotzdem Aufmerksamkeit erregt hat und n paar neue Fans gewonnen hat.
Genauso is das mit JunkieXL, den ihr alle nur wegen dem Elvis-Song kennt oder von mir aus Smash Mouth mit "Walking on the sun".
Das hat doch schon damals in den 60ern angefangen, als z.B. Steppenwolf mit "Born to be wild" oder Led Zeppelin mit "Whole Lotta Love" ihre ersten Clips gemacht haben. Oder Santana mit "Oye Como Va" und Janis Joplin mit "Piece of my heart" und Cher mit ihrem "Sunny", auch wenn ich schätze, dass das auf ihren damaligen Lover Sonny gemünzt war.
#npnk
ein weiteres wunderbares beispiel dafür

The Killers (jaja Revival der "the"-Bands usw)...
deren Hitsingle "Mr. Brightside" iss ja echt n schönes Liedchen..ich schwinge auch gerne mal das Tanzbein dazu...

aber wenn du dir den Rest des Albums anhörst...
das klingt sowas von anders aber dennoch so gut...

das Problem dass die Musikindustrie heutzutage hat ist, dass sich etwas verkaufen muss um gut zu sein...
die Killers waren bestimmt nich sehr darüber erbaut dass "Mr. Brightside" als single unbedingt auf das Album musste aber die CEO's und A&R's wolltens nunmal so...

jetzt wird der Song in allen Alternative-Discos hoch und runter gespielt...
kanns den Dj's nicht verdenken, issn guter Song, aber ein Bild von der Band zeichnet er nicht...

ein weiteres Phänomen sind solche Bands wie die Strokes, die auf einmal da sind, gehypt und gefeiert werden, und dann wieder in der Versenkung verschwinden...Burnout-Syndrom...

aber das iss eh alles offtopic hier...
mach doch mal einer nen thread auf namens "musik quo vadis?" und verschiebe luzis und meinen post da rein...
damit luzi und ich uns mit anderen musikenthusiasten auseinandersetzen können...

danke
mcnesium
QUOTE (nappunk @ 15 Apr 2005, 06:25)
aber das iss eh alles offtopic hier...mach doch mal einer nen thread auf namens "musik quo vadis?" und verschiebe luzis und meinen post da rein...damit luzi und ich uns mit anderen musikenthusiasten auseinandersetzen können...

done
neo
QUOTE (Luzifer @ 15 Apr 2005, 05:14)
Und genau das führt uns logischerweise zu dem Schluss, dass es einen gewissen Unterschied zwischen "normaler" Musik und populärer (kurzlebiger) Musik führt:
populäre Musik ist Werbung; es sind Stücke, die leicht eingängig sind und über einen geringen Anspruch verfügen.

Einspruch.
Ich halte nicht viel von Schubladendenken und genau das wird hier gerade praktiziert.
punkt 1: "normale" musik ist subjektiv, eine begriffsverwendung, die man eigentlich vermeiden sollte.
punkt 2: populär muss nicht kurzlebig sein, und es muss auch nicht bdeuten, dass diese texte über einen geringen anspruch verfügen, wobei mich allerdings auch interessieren würde, welcher anspruch gemeint ist, es gibt da ja verschiedene varianten, man kann den anspruch auf die musik an sich beziehen, oder auf den text, die gesamterscheinung, etc.
Beispiel: Die deutsche Band Kettcar ist seit Jahren im Geschäft, früher als Punkband unter dem Namen "...but alive", seit ca. 2000/2001 als "Kettcar" und momentan kann man durchaus behaupten, dass diese Band mit dem neuen Album einen gewissen Durchbruch geschafft hat, sie sind also auch für eine breitere Masse populär geworden, sprich: die aktuelle Single läuft nicht selten im Radio, die Konzerte sind ausverkauft, und selbst auf Viva/MTV laufen Clips von Kettcar. Zugegeben, die Musik ist wirklich leicht eingängig, aber das war auch schon beim Vorgängeralbum so, aber die Texte sind meiner Meinung nach äußerst anspruchsvoll, was deutsche Texte angeht würde ich mich sogar zu der Äußerung hinreissen lassen, dass es die anspruchsvollsten deutschen Texte sind, vorallem wenn man sie in der Gesamtheit der Alben betrachtet. Es mag sein, dass diese Band für eine Leute kurzlebig ist, für mich ist sie es nicht, ich kenne diese Band mittlerweile seit 4 Jahren, andere Bands wie Tocotronic seit fast 10 Jahren, und meine Begeisterung läßt nicht nach.
ergo: Die ganze Diskussion ist nur subjektiv zu führen und sollte keinesfalls verallgemeinert werden. Jeder sieht es anders, für jeden gibt es andere Bands/Künstler, die kurzlebig sind, oder denen man über Jahre treu bleibt, und der Anspruch läßt sich dort auch keinesfalls an der Popularität absehen.
Natürlich gibt es Dinge, die jeden Anspruch vermissen lassen, aber hey, wen störts, solang man mit dieser Musik ne schöne Zeit hat und ggf. mal nett feiern kann, dann ist es doch scheissegal, ob man diese Musik in 2 jahren, in 10 jahren oder in 25 jahren noch gut findet, auf den moment kommt es an und auf die freude an der musik, egal ob es da einen anspruch gibt oder nicht.
Mimi
das was irh hier gesagt habt, regt mich immer wieder auf, wenn ich sage, dass liquido zu meinen lieblingsbands zählt... klar, ich hab die auch nur wegen narcotic kennengelernt, aber das lied ist eindeutig durchschnitt... die haben wesentlich bessere und rockigere...
(sub7even auch, da kennen eigentlich alle nur den "weatherman" (oder wie auch immer das wirklich heißt)

aber das problem im allgemeinen ist doch: wie sollen der großteil der menschen musik hören, die eigentlich nirgendwo läuft?
es geht nicht "jeder" einfach mal so auf ein konzert einer band, deren namen gänzlich unbekannt ist... und wer stellt sich schon großartig in ein cd geschäft und hört sich einfach mal ne cd an von ner band, die sie/er noch nie gehört hat? oder kauft sie gar, ohne das er vorher reingehört hat? (gut, ich kann durchaus behaupten mit sowas bisher nur gute erfahrungen gemacht zu haben, aber so häufig macht man das ja nun auch nicht...)
das klang jetzt vielleicht etwas verworren, aber vielleicht weiß ja doch der ein oder andere worauf ich hinaus wollte...
Chris
Jo, das Hauptproblem ist nicht, dass immer mehr Bands auftauchen, die "One-Hit-Wonder" sind, sondern, dass die Unterstützung sehr unausgewogen ist. Lieder die in den Charts positioniert sind, laufen 10 Mal am Tag, während unbekanntere Bands vielleicht einmal im Monat gespielt werden, wenn überhaupt.

Das kann man bestimmt vor dem Hintergrund der Produktionskosten sehen. Wenn ich 1 CD 100 Mal verkaufe, hab ich bei gleichem Preis, Produktionskosten und Werbungskosten mehr Geld eingenommen, wie wenn ich 10 CDs je 10 Mal verkaufe. Demnach muss ich es mir wirtschaftlich vornehmen die Menge der Käufer auf möglichst wenig CDs zu konzentrieren.
Hanno
Angebot = Nachfrage... Unbekannte Bands fragt nun mal keiner nach.
Chris
Angebot und Nachfrage hängen zusammen. Es ist aber nicht so, dass sich keiner für unbekannte Bands interessiert, weil sie scheisse sind, sondern es interessiert sich keiner für unbekannte Bands, weil man sie eben nicht dauernd überall hört. Ich denke schon, dass einfach dadurch, dass jemand häufiger gespielt wird, er auch häufiger gekauft wird. Würde man eine beliebige Band oft genug spielen, würde diese auch Nachfrage generieren, und das nicht zu knapp.
Luzifer
@mimi: Also Liquido is nich meine Lieblingsband, auch wenn ich das Album hab, wo Narcotic drauf is und früher, als ich noch nich jedes Wochenende nach Dortmund fahren konnte und der Plattenladen in meiner Nähe nix hatte, wo man sich CDs anhören konnte, hab ich mir die CDs immer ohne anhören gekauft, zumal son Weyand kein CD-Laden is und die CDs da meist Jahre rumstehn und sich mit der Zeit n ziemlich gut gemischtes Angebot an aussergewöhnlicher Musik anhäuft, aber egal.
Also ich les da Fanzines, hör mir ab und an CDs, die mir auffallen, in Plattenläden an. Zieh mir Angebote bei ebay, amazon und azubo rein, fisch mir lyrics im Netz und besuch Bandseiten und gucke nach deren Vorbildern und dann hab ich noch n Satz Freunde, die nich den Standardmist hören. Ich glaub schon, dass man da auf Sachen stößt, die nich unbedingt bekannt sind.
Aber warum Du Dich über den ganzen Scheiss hier aufregst, hab ich nich verstanden. Da hättich eher n Konter wegen Mando Diao erwartet.
(es heisst tatsächlich Weatherman - habs damals rauf und runter gehört, bis mir aufgefallen is, dass mir "What it's like" von Everlast - das auch noch auf dem Sampler war - viel besser gefällt)

@neo: hab mir schon gedacht, dass sowas kommt, als ich das verfasst hab, habs mir dann aber verkniffen, in diesem Zusammenhang Poplulärmusik über Charts zu definieren, wo es eigentlich das war, was ich meinte.
Mimi
@luzifer: ok, ich geb zu, aufregen war vielleicht etwas falsch platziert. (dafür gibt es keine entschuldigung, aber ich wusste halt einfach nicht wie ich anfangen soll *gg* ich hoffe mir ist verziehen...)
ich finds nur unheimlich schade, dass gute bands dann nur auf ein/zwei lieder reduziert werden (gut, manchmal ärgert mich es auch richtig und wenn man mich falsch erwischt kann ich dann auch leicht zickig werden), dass sollte eigentlich damit zum ausdruck kommen. (war also deinem beitrag im gewissen sinne zustimmend) ich kann dir nur empfehlen dir mal alarm!alarm! anzuhören (ist mein lieblingsalbum:) aber vielleicht gefällt es dir ja auch nicht, was solls...

jetzt lese ich mir auch durch, was so die musiker der bands, die ich gerne höre, für musik hören, bzw von wem sie so beeinflusst wurden, solche musik zu machen. aber das mach ich auch erst, seid ich die möglichkeit des internets ausnutzen kann.
dummerweise ist es nun mal so (zumindest in meinem bekanntenkreis), dass die kiddis, die gerade dabei sind ihren musikgeschmack zu entwickeln, nicht unbedingt die möglichkeiten haben, sich auch außerhalbt des radios und der musiksender mit recht unbekannten bands zu beschäftigen.
und das sollte man irgendwie ändern, aber ich hab keine ahnung wie.
deshalb stimme ich vollkommen mit der meinung überein, dass die alltägliche radiomusik wie werbung ist oder so rüberkommt, leider.
Chino
.. was wird wohl aus Musik werden? ..
.. wenn man glaubt was die Olle von der Bohlenmafia sagt, dass solche Manipulationen völlig nornmal sind, dann befürchte ich, wird Musik noch mehr Kommerz werden als es jetzt schon ist. Weniger Leute die Musik machen, weil sie Musik Leben und mehr Leute, die Musik machen, weil es, wenn man es richtig vermarktet, Geld bringt ..

.. Eigentlich ist die Musiklandschaft (damit meine ich das, was man so als "Normalo" aus dem Fernsehn, Radio, Dorfdisko usw.mitbekommt, ohne sich mit Musik zu beschäfftigen) doch fast tot ..
.. Gracia und der Rest der Bohlen Mafia, haben sich auch nicht "an die Charts gespielt". Die liefen einfach irgendwann im Radio. Aus dem Nichts und das ist ja die Verarschung ..

.. Hits werden nicht mehr geschrieben, Hits werden "gecastet" und so lange beworben, bis sie genung Leute toll finden ..

.. Die Bands die wirklich gut sind gammeln am Existenzminnimum rum, weil sie eben nicht Kommerz sind und die, denen die Lieder geschrieben werden, "die die Leute hören wollen", sind in den Charts, weil man sie dort hin schummelt.
.. Musik ohne Herz würde ich fast sagen. Stumpfes absingen von Melodien, die immer gehen. DSDSS! ..
Was ist den heute bitte in den Charts? Hauptsächlich "leichte Kost". Musik die "flutscht" und am besten noch Tanzbar ist. Blackmusic, Hip Hop, House, ein paar "Rock"Songs und 1% ausgefallenen Sachen. Super ..

.. Qou vadis? -> Kommerz! ..
.. aber das schöne daran ist, dass die Plattenvertriebe an ihren Werken selber eingehen. Vieleicht löst sich das Musikproblem ja ganz von alleine ..
myrmikonos
ich halte die Musik fuer das wichtigste Instrument der Qualia. Zumindest in unserer Zeit ist es nicht mehr ueblich ueber Buecher zu reden, oder gar Malerei, Architektur, jedoch bleibt die Musik ein Phaenomen fuer die Massen - immer an der Oberflaeche , permanentes Gespraechspulver. Es ist jetzt ein rein subjektiver Gedanke, aber die 3 Ms : Mode, Musik, Movies generieren stetig, wechselhaft und uebergreifend - das hat schon malefizioese Ausmaße angenommen, weil die uebrigen Kuenste untergehen.
Deshalb ist es fast schon straeflich nicht zu fragen "Wohin gehst du Musik und die uebrigen Kuenste?" , aber das waer auch schon wieder zu holistisch fuer den Thread.
Um dem Ontopic-Sachverhalt gerecht zu werden, mueßte man sich doch um das Wesen der Musik selbst bemuehen. Das ist der eine streitbare Punkt , der sich mit dem erfuehlen um das Wesen des Kunstbegriffes selbst paart.

Und in nicht-phaenomelastischer Ebene bleibt uns die Relation Mensch-Musik, der im Kontrast deutlich wird: der eine hoert also Laerm, der andere eine Melodie, eine Musik. [Wohin geht die Musik und umgekehrt: wohin fuehrt die Musik uns?] Die ewige Geschmacks-subjektive Verwirrung , die mich ebenso anbiedert, wie provoziert. Wer mir die Phrase: "ueber Geschmack laeßt sich nicht streiten" an den Kopf wirft, mag eben diesen Schlußstrich eines infiniten Disputes ziehen, den es bei der Philosophie nicht gibt. (wie auch jmd der Recht hat, oder die absolute Wahrheit spricht usw)
Soviel kann ich mit meiner Weisheit sagen: es ist die Verschraenkung vom Erahnen der Qualia und deren eigentlichen Bewußtwerdung.
Warum schreib ich also ins Forum auf einen 2 Jahre alten Thread rum, zippe n Cappu nebenher, bin kein Feuerwehrmann und studiere Philosophie: weil es mir weh tut, wenn jmd sagt, das ist deterministisch alles vorbestimmt. Deswegen hoere ich Musik als Therapie gegen genau diese Dummheit!
Am besten jeden Tag etwas anderes hoeren, sich nicht vom verwirrenden Erfolgsetikett, oder den Charts orientieren. Das waere eine ganz schreckliche Denkfalle, wenn man Musik nur so erlebt. Fuer die Mainstream-modejunkies gibt es schon den passenden Begriff Fashion-victim. Mir scheint das ist dann genau der Gegenteil von dem, was man konsumieren will, oder wir haben 2 Kunstbegriffe. Es ist doch ein pikanter Unterschied, ob sich der Mensch um Kunst bemueht , oder die Kunst um die Menschen.
Chris
Ich finde mal überhaupt nicht, dass Musik und Kunst einen anderen Weg nimmt. Musik ist zu einem Hintergrundrauschen geworden und so ist es die Kunst auch. Man wird überall von der Musik zugebombt (oder berieselt) und ebenso von der Kunst. Nur dass die Kunst sich als solche nicht zu erkennen gibt, sondern als gut gestaltetes Schaufenster, Werbeplakat oder IKEA-Wohnvorschlag daherkommt.

Willst du Kunst wirklich genießen, so musst du, wie bei Musik auch, dir eine vernünftigen Umgang damit aussuchen und nicht zu jeder Party hinrennen. Denn auch dort bietet Musik selten mehr als eine schwungvolle Untermalung des aktuellen Geschehens. Frauen inmitten von turbulent gemalten Bilder aufzureißen aber, liegt in unsere Vorstellung viel weiter weg, als inmitten von turbulenter Musik. Ist ja Kunst.

So bleibt uns nichts anderes als uns dem schrecklichen Determinismus hinzugeben und festzustellen, das Kunst, so wie Musik, eigentlich von jedem geschaffen werden kann, der das kleine Einmaleins der Grundtechniken beherrscht. Die einen besser, die anderen schlechter. Manchmal taugt es für 3 Minuten Hintergrundberieselung, manchmal denkt man Wochen später noch daran. Aber es gibt keinen Unterschied zwischen Kunsthandwerk und Musikhandwerk. Außer, dass wir bei der Kunst die Akzeptanz für die gleichen Vorgänge wie in der Musik noch nicht gefunden haben. Obwohl es mir bei mancher Geschmacks-Subjektivität (wie myrmikonos das so schön formuliert hat) bei einigen Leuten so vorkommt, als ob sie Musik doch noch auf deinem beschriebenen Level der Kunst ansehen.


Disclaimer: Als Nicht-Student der Philosophie fehlen mir einige mehr oder weniger wichtige Fachbegriffe aus den klassischen Lehren der Philosophie. Diese sollte jeder - bei Bedarf - für sich selbst im Lesefluß ergänzen.
jase
Ich empfehle die folgende Lektüre: Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner Reproduzierbarkeit

Das was wir spüren, ist der Übergang von einem dialogischen Prinzip hin zum Konsumdenken. Kunst, ja auch Musik, die auf einen Produzenten - Konsumenten Verhältnis basiert, verliert ihre eigentliche Funktion. Der Künstler tritt mit dem Gegenüber in Verbindung durch das Kunstwerk, sondern der Konsument lässt sich berieseln. Das heißt, dass die gesellschaftsverändernde, ja selbst die für die innere Imigration wichtigen, Elemente ausgeblendet werden, nur noch das stattfindet, was sich dem Zeichensystem Geld unterordnet. Schleichend geht damit eine Entpolitisierung (nein, ich meine nicht den ganzen parlamentarischen Kram - schon eher - den Poltikbegriff von Hannah Arendt) einher, welche die Kunst, respektive Musik als eine Disziplin ad absurdum führt und wie Chris schon sagte zu einem Handwerk verkommt.
Chris
Wie funktioniert denn das dialogische Prinzip in der Kunst? Der Künstler ist doch immer der Produzent, und derjenige, der nichts zum Kunstwerk (Hinweis: Werk ist mit Absicht fett gedruckt) beitragen kann, befindet sich immer auf der konsumierenden Seite. Wie kann ein Dialog mit einem Bild entstehen? Mit der Musik? Mit einem Kirchenfenster?
jase
Und zum Kennenlernen neuer Musik,

Last.fmlastfm.de in Kombination mit WikipediaWikipedia

und natürlich das Freie Radio coloRadio coloRadio anhören (terrestrisch UKW 98,4 MHz & 99,3 MHz; Mo bis Fr: 18 - 23 Uhr; Sa und So: 12 - 24 Uhr)

Coloradio Livestream
aktsizr
Vielleicht habt ihr nur verlernt Musik zu hören...? Berieselung findet nur statt, wenn sich genügend finden, die sich gerne berieseln lassen.

Die Frage: Was macht Musik interessant (und schoen)?
Als ich kürzlich darüber nachdachte, warum ich die Musik von Charles Ives so sehr mag, bin ich zu einer überraschenden Erkenntnis gelangt.

Musik muss Clichéhaft sein ohne sich durch ebendiese zu verarmen. In jenem Moment, in dem ich meine, die Musik vorausahnen zu können, wird sie einen anderen Pfad einschlagen und meine Klangerwartung enttäuschen. Irgendwann wird man dann so vertraut mit dieser Musik, dass sie diesen (und nur diesen) intellektuellen Reiz verliert, man von dieser Musik ablässt oder sie als schön empfinden kann. Die Wahrnehmung dessen, was man selbst als Cliché erkennt ist subjektiv. Durch das Hören verändert sich die Wahrnehmung der Musik als ganzes. Was hat Ives mit den Beatles zu tun? Eine ganze Menge!
myrmikonos
Es ist mir, als ob es eben bei Musik als Kunstform gefaehrlich ist, eine Mittel-Zweck-Dialektik ansetzen zu wollen, sonst betrachten wir eben nur jenen greifbaren pragmatischen Ausschnitt. Da koennte ich auch gleich fragen, ob ein Musiker nun auf der Buehne arbeitet, oder schoepft? Welcher Pragmatik folgt die Kunst? Haetten wir in diesem Fall nicht schon laengst eine Antwort auf das Quo Vadis!

Eventuell hab ich die "Sache" doch zu sehr unterschaetzt und gerate in die semiotische Falltuer von jase. Natuerlich gebe ich dem Wort einen Sinn, wenn ich von Musik spreche, das ist bei Verschriftlichung der Gedanken immer der Fall. Aber warum sollte Musik denn ueberhaupt einen Sinn haben? Ich mag der Musik keiner feste Bedeutung zuordnen, keinen festen Gebrauch. Was fuer eine infame Einschraenkung! Was soll denn dann heißen dies , oder jenes ist gute, oder schlechte Musik , oder warum wird der eine Musiker besser bezahlt als ein anderer? Eben dieser Uebergang ins "Zeichensystem Geld", oder sonstirgendein Zeichensystem, normativer Schnickschnack und Pipifax ist diese Dummheit von der ich Sprach.
Welcher Semantik folgt die Kunst? Haetten wir in diesem Fall nicht schon laengst das Interesse an Musik verloren?

Wenn ich ueber meine Schattenmorellen zum Mittag keinen JamaicaRum-spritzer reingemacht haette, gaebe es auch keinen Anlaß davon auszugehen, daß ich mich mit irgendetwas greifbaren beschaeftige. Liebe Grueße smile.gif
Chris
Unser Interesse an der Musik ist ähnlich wie das Interesse an der restlichen Kunst. Wir beschäftigen uns mit der Musik, weil sie uns täglich vor den Latz geknallt wird. Nicht mehr und nicht weniger. Fälle, in denen man ein Stück immer und immer wieder anhört, weil man den Übergang zwischen C und D Teil für so gelungen hält, kommen doch kaum mehr vor.

Musik ist massenhaft und billig für jedermann verfügbar. So verhält es sich auch mit der Kunst, die wir nicht mehr als Kunst bezeichnen (z.B. Plakate). Kunst wird nur dadurch Kunst, dass sie nicht reproduzierbar ist. Kann man in Ansätzen auch noch in der Musik auch sehen. Eine Coverband wird immer eine Coverband bleiben (und somit minderwertig), weil sie immer nur vorhandenes reproduziert. Ansonsten kann man eigentlich die 1:1 Kopie, die sich nicht mehr vom Original unterscheidet aus dem Internet seines Vertrauens bekommen. Und zwar soviel man will. Das degradiert Musik in dem Ansinnen Kunst zu sein.

Und um deine Frage was der Musiker auf der Bühne macht zu beantworten: er schafft und schöpft nicht, denn er reproduziert nur wieder und wieder sein eigenes kreatives Werk. Im besten Fall begeht er Plagiatismus an sich selbst, der durch Situationskomik oder gelegentliche Geistesblitze aufgewertet wird. Zum Vergleich: ein wahrer Künstler würde nie zweimal das selbe Bild malen. Nie.

jase
Zitat(Chris @ 17 Dec 2007, 11:27)
Wie funktioniert denn das dialogische Prinzip in der Kunst?
*


Nach meinem Verständnis beginnt dort Kunst, welches natürlich absolut subjektiv ist - im Gegensatz zum Handwerk - wo nicht das können im Vordergrund steht, die Vermarktung, der allgemeine Geschmack, sondern die Interpretation der Welt des Künstlers, inbesondere Gefühle bei Musik. IMHO muss die Kunst tiefgründig sein, Erkenntnisse aus Kunstgeschichte, Philosophie, Soziologie und anderen Disziplinen beinhalten, sonst ist es Kitsch. Das bedeutet nicht, das Texte mit Nietzsche Zitaten gespickt sein müssen, sondern das Elemente, welche irritieren, zum tiefgründigen Nachdenken anregen bzw. die emotionale Konstitution des Subjektes berühren, vorhanden sein müssen. Diese Elemente müssen eine Art von Weltaufassung beinhalten, welches den Horizont erweitert. Künstler die das erreichen wollen, müssen quasi einen besonderen Lebensstil haben, der es ermöglicht außergewöhnliche Entwicklungen wahrzunehmen.

So richtig durchdacht ist das nicht was ich hier zusammenschreibe, dafür habe ich leider keine Zeit. Vielleicht kann ich das gesagte durch ein Zitat aus dem von mir, im vorletzen Posting, genannten Buch unterstreichen:

"Der vor dem Kunstwerk sich Sammelnde versenkt sich darein; er geht in dieses Werk ein, wie die Legende von einem chinesischem Maler beim Anblick seines vollendeten Bildes erzählt. Dagegen versenkt die zerstreute Masse das Kunstwerk in sich."


Chris
Also ist Dieter Bohlen der wahre Künstler. Wieviele können noch von sich behaupten einen besonderen Lebenstil zu haben, soviel über Musik zu wissen, und soviel aus vergangen Epochen zitieren zu können (und es bleiben zu lassen), wie Dieter Bohlen. Zugegeben, seine Königsdisziplin ist die Soziologie, aber trotz allem bringt er doch seine Emotionen, Erfahrungen und Wissen ein, und schafft es damit die emotionale Konstitution von Millionen Zuhörern zu berühren.
asmo
Zitat(Chris @ 17 Dec 2007, 12:39)
Zum Vergleich: ein wahrer Künstler würde nie zweimal das selbe Bild malen. Nie.
*


Ach du meine Güte. Was macht denn einen wahren Künstler aus? Beinhaltet das auch, dass seine Bilder von eigener Hand gemalt werden müssen und nicht in einer Werkstatt von Gehilfen? Denn dann würden viele der proklamierten ganz Großen rausfallen. Mit dererlei Aussagen sollte aus noch anderen Gründen vorsichtig umgegangen werden.

Und natürlich gibt es auch Kunst die reproduzierbar ist. Wie verhält es sich z.B. mit Drucken, Lithographie, Fotographie oder speziell den Seriegraphien Warhols? Letzterem ging es doch um die Entselbstverständlichung des Selbstverständlichen. Produkte der Massenkultur wurden durch die Signatur quasi exponiert. Ist es eine Entscheidung gegen die Kunst, wenn man eine Tomatensuppendose als Kunstwerk definiert? Ist nicht jeder ein Künstler (Beuys) und alles schön (Warhol)? Bei einer Diskussion über Kunst, sollte man die Definitionen nicht eng fassen, denn auch Antikunst ist Kunst.

Walter Benjamins Werk “Das Kunstwerk im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit” ist auf jeden Fall lesenswert, m.E. aber sollte man sich im gleichen Zuge auch Adornos Kulturindustrie zuwenden (Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente, Ästhetische Theorie).
aktsizr
Chris: Warum hat die Musik ein Ansinnen? Warum wird ein Werk von Bach seiner Kunst (oder seinem `Ansinnen' Kunst zu sein, wie du dich ausdrücktest...) beraubt, wenn man es verfielfältigt? Warum sollte Beethovens 9., aufgeführt von den Berliner Philharmonikern `minderwertig' sein, nur weil man sie in Wien Uraufgeführt hat?
"Unser Interesse an der Musik ist ähnlich wie das Interesse an der restlichen Kunst. Wir beschäftigen uns mit der Musik, weil sie uns täglich vor den Latz geknallt wird. Nicht mehr und nicht weniger. Fälle, in denen man ein Stück immer und immer wieder anhört, weil man den Übergang zwischen C und D Teil für so gelungen hält, kommen doch kaum mehr vor." - Ja? Das mit C & D stimmt - die Sache wird im Hören nicht benannt. Der Gesamteindruck der Musik ist entscheident! Häufig können wir das aber nicht - wir sagen dann `Wir müssen uns da noch einhören.' - Wer kennt das nicht? Ich beschäftige mich im Übrigen aus freien Stücken mit Musik - ich entscheide größtenteils selbst was ich wann hören will und was nicht! Deine Aussage kann somit also schon nicht mehr allgemeingültig sein...

jase: "IMHO muss die Kunst tiefgründig sein, Erkenntnisse aus Kunstgeschichte, Philosophie, Soziologie und anderen Disziplinen beinhalten, sonst ist es Kitsch." - Ist das so? Warum? Wie klingt Soziologie?

Nun werden hier auch noch Adorno und Warhol bemüht.. Herzlich Willkommen bei der philosophischen Autoritätsphrasendrescherei! Einmal Jazz-Diffamierung und Suppendosenmalerei gibts gratis!
asmo
Zitat(aktsizr @ 17 Dec 2007, 13:42)
Autoritätsphrasendrescherei!
*


Was will uns der Autor/Künstler damit sagen? rolleyes.gif
Zappelfry
Ich würde es so interpretieren: Wenn es inhaltlich etwas dünn ist, holt man Keulen wie ehrfurchtgebietende Namen und komplizierte Fachbegriffe heraus. Vor allem, wenn man über Fragen wie "Wie schmeckt Blau?" debattiert.
asmo
Ich bezog mich lediglich auf die Chris´These der Reproduzierbarkeit. Sollten meine Ausführungen dünn erscheinen, liegt es sicher daran, dasss ich mich recht kurz gehalten habe. Und sorry, aber Benjamin und Adorno laden bei diesem Thema ein zitiert zu werden. wink.gif
jase
Wenn alles Kunst ist und alles schön ist, dann hat die Kunst ihr Selbstabschaffungsprogramm selbst erarbeitet. So ehrerbietig Namen wie Beuys und Warhol klingen, auf mich hat das keine Wirkung gehabt - bisher habe ich nicht den Zugang zur Filzrolle, toten Hasen und bunten reproduzierten Bildchen gefunden, was nicht bedeutete, dass es keine Kunst ist - zumindest für irgendjemand. Das zerstört jedoch nicht meine These sondern bestärkt sie dadurch, dass sie den dialogischen Charakter betont. Kunst wird Kunst erstens durch Kontext und zweitens durch den Dialog der Zwischen Künstler und Betrachter entsteht.

@Chris

Wie du auf Dieter Bohlen kommst ... ist mir schleierhaft. Mit besonders habe ich sicher nicht gemeint, mit besonderer Hartnäckigkeit Müll zu produzieren und aus jedem Schrott Geld zu machen. Wer echte Künstler kennt, wobei ich nicht Maler, Musiker und was auch immer meine - Lebenskünstler - wie eben Walter Benjamin, Menschen die Versuche mit sich und der Welt anstellen (Herrlich - das Buch "Haschisch" von W. B.), die Dinge anders erfahren und das weitergeben können auf eine geheimnisvolle und anregende Art mit einem Tiefgang, der über das bisher gedachte hinausgeht.
Die Abgrenzung zum Kitsch, wobei für jeden etwas anders Kitsch ist, liegt für mich genau da. Entweder es ist überflüssige Dekoration oder es entsteht der Dialog. Kunsthandwerk wiederum sind einfach schöne Gegenstände.

Mir ist im übrigen völlig klar, dass ich damit nicht die allgemeine Definition oder gar die gelehrte meinetwegen an der Hfbk treffen. Ich denke mir etwas dabei ... ich tue das aus einem bestimmten Grund, nicht umsonst zitiere ich schon das vierte Mal Benjamin. Wir teilen einige Ansichten darüber.
Chris
Zitat(asmo @ 17 Dec 2007, 13:07)
Ach du meine Güte. Was macht denn einen wahren Künstler aus? Beinhaltet das auch, dass seine Bilder von eigener Hand gemalt werden müssen und nicht in einer Werkstatt von Gehilfen? Denn dann würden viele der proklamierten ganz Großen rausfallen. Mit dererlei Aussagen sollte aus noch anderen Gründen vorsichtig umgegangen werden.


Das ist schon eine schwerwiegende Aussage. Wieviel schlechter ist der gute Kunstfälscher, als ein Gehilfe eines großen Künstlers? Für mich eine ähnliche Konstellation, wie wenn Max Superstar den neuen Song von Dieter Bohlen singt. Einer der Punkte, an denen ich sagen würde, dass sich hier das Kunsthandwerk sehr genau festmachen lässt. Der Künstler denkt und der Gehilfe schafft, nach den Wünschen des Meisters. Im Grunde bleibt der Gehilfe aber austauschbar, weil jeder*, nach dem Erlernen der Grundtechniken, diesen Job ausführen kann.

*jeder natürlich wieder nur in dem Sinne, dass man auch fähig sein muss, die Grundtechniken ausführen zu können. Das selbe wie mit einem Lottogewinn. Theoretisch kann jeder gewinnen, praktisch tun es nicht alle.

Zitat
Und natürlich gibt es auch Kunst die reproduzierbar ist. Wie verhält es sich z.B. mit Drucken, Lithographie, Fotographie oder speziell den Seriegraphien Warhols? Letzterem ging es doch um die Entselbstverständlichung des Selbstverständlichen. Produkte der Massenkultur wurden durch die Signatur quasi exponiert. Ist es eine Entscheidung gegen die Kunst, wenn man eine Tomatensuppendose als Kunstwerk definiert? Ist nicht jeder ein Künstler (Beuys) und alles schön (Warhol)? Bei einer Diskussion über Kunst, sollte man die Definitionen nicht eng fassen, denn auch Antikunst ist Kunst.


Einzelstück vs. Reproduktion, Kunst vs. Kunsthandwerk. Die Kunst bei Warhol lag im Umgang mit der Reproduktion, die Kunst von Beuys darin, seinen Namen gut zu verkaufen. Das ist aber nicht der Punkt, worauf ich hinaus wollte. Kunst kann einfach nicht jeder besitzen. Man kann sich sein Zimmer nicht mit tausenden Bildern von Warhol und Leonardo etc. vollhängen. Seinen mp3-Player hingegen kann man zehntausenden mp3s vollladen. Das Überangebot zu einem Schnäppchenpreis lässt uns die Musik minderschätzen. Und daher kommt die Diskrepanz zu der anderen Kunst. Kunst die im kleinen Rahmen geschaffen wird, findet keinerlei Anklang mehr. Ein schön dekoriertes Schaufenster ist im besten Fall schön dekoriert. Dass sich dahinter eventuell eine Person versteckt, die mit viel Zeitaufwand, Kreativität und Einsatz dieses "Kunstwerk" geschaffen hat, interessiert niemanden.

Zitat(aktsizr @ 17 Dec 2007, 13:42)
Chris: Warum hat die Musik ein Ansinnen? Warum wird ein Werk von Bach seiner Kunst (oder seinem `Ansinnen' Kunst zu sein, wie du dich ausdrücktest...) beraubt, wenn man es verfielfältigt? Warum sollte Beethovens 9., aufgeführt von den Berliner Philharmonikern `minderwertig' sein, nur weil man sie in Wien Uraufgeführt hat?

Vielleicht fehlt zum besseren Verständnis das Wörtchen "beliebig" in meinem Ausführungen. Wenn die Musik beliebig vervielfältigt wird, dann verliert sie ihren Wert. Wenn die Berliner Philharmoniker ein Stück aufführen steckt dort Arbeit dahinter. Die Noten, die Beethoven geschrieben hat, werden zum musikalischen Kunst(hand)werk. Wenn der Konsum um die Ecke alle Stücke von Beethoven rund um die Uhr spielt, verlieren Beethovens Stücke ihre Wirkung. Sie fügen sich in den Alltag ein, wie das Schaufenster das - wenn auch schön dekoriert - keine weitere Beachtung findet.
Zitat
Ja? Das mit C & D stimmt - die Sache wird im Hören nicht benannt. Der Gesamteindruck der Musik ist entscheident! Häufig können wir das aber nicht - wir sagen dann `Wir müssen uns da noch einhören.' - Wer kennt das nicht? Ich beschäftige mich im Übrigen aus freien Stücken mit Musik - ich entscheide größtenteils selbst was ich wann hören will und was nicht! Deine Aussage kann somit also schon nicht mehr allgemeingültig sein...

Nun, das mit den Teilen C&D war nur ein Beispiel. Genauso wie man ein Bild länger/öfters betrachtet - eventuell nur einen Ausschnitt - so kann man in der Musik das Ganze oder einen Teil länger/öfters hören. Genauso wie du, höre ich meine Musik lieber dann, wenn ich es will. Dadurch gewinnt sie für mich an Wert, weil ich die richtige Musik zur richtigen Zeit höre.
Und zur Allgemeingültigkeit: Wem es gelingt eine allgemeingültige Aussage über alle Menschen zu treffen, die nicht so diffuse wie das Universum selbst ist (z.B. Alle Menschen leben auf der Erde), der kriegt nicht ein Bier von mir, sondern auch den Nobelpreis für die Weltformel.

Zitat(jase)
Wie du auf Dieter Bohlen kommst ... ist mir schleierhaft. Mit besonders habe ich sicher nicht gemeint, mit besonderer Hartnäckigkeit Müll zu produzieren und aus jedem Schrott Geld zu machen. Wer echte Künstler kennt, wobei ich nicht Maler, Musiker und was auch immer meine - Lebenskünstler - wie eben Walter Benjamin, Menschen die Versuche mit sich und der Welt anstellen (Herrlich - das Buch "Haschisch" von W. B.), die Dinge anders erfahren und das weitergeben können auf eine geheimnisvolle und anregende Art mit einem Tiefgang, der über das bisher gedachte hinausgeht.


Deine Definition von Kunst/Künstler passt zu gut auf Dieter Bohlen. Außer, dass er deiner Ansicht nach keine Kunst betreibt, sondern Müll produziert. Und bitte. Jeder würde es machen, wenn seine Art Kunst zu machen massenkompatibel wäre.
jase
Dieter Bohlen, ohne dass ich genau wissen würde was er gerade wieder fabriziert, ich kenn ihn schon seit 20 Jahren, damals noch Modern Talking, produziert populären sinnfreien Müll.

Copy & Paste aus Wikipedia: Bohlen merkte zur Entstehungsgeschichte des Textes von You're My Heart, You're My Soul in seiner Autobiographie an: „Ich gebe zu: ich wusste nicht, dass wir einen Welthit haben würden, deshalb habe ich den Text mal eben in einer halben Minute hingekliert. Popoabwischen dauert länger. Thomas als Sänger war ähnlich fix.“

Wenn das Kunst sein soll ... nach meiner Definition ... dann muss ich darüber nochmal nachdenken ... ich versteh das nur noch nicht. Erklär mir mal was das mit dem von mir gesagten zu tun haben soll.

Zur Belustigung - eine Modern Talking Text

Lucky Guy

I feel your hearts-tune
I feel the sound move
I hear the last tune
Over and over again
Without end
I feel the flowers
I feel the showers
I hear the last words
Over and over again
Without end

I'll be your lucky guy
I'll be your lucky guy
Tomorrow when all things are shaping
Tomorrow then I'll be with you
Tomorrow when you're heart is aching
I keep on loving you

I feel the magic
There's been no tragic
I hear your laughing
Over and over again
Without end
I see you walking
I hear you talking
I feel the loving
Over and over again
Without end

I'll be your lucky guy
I'll be your lucky guy
Tomorrow when all things are shaping
Tomorrow then I'll be with you
Tomorrow when you're heart is aching
I keep on loving you

I'll be your lucky guy
I'll be your lucky guy
I'll be your lucky guy
I'll be your lucky guy
asmo
Zitat(Chris @ 17 Dec 2007, 15:09)
Kunst kann einfach nicht jeder besitzen. Man kann sich sein Zimmer nicht mit tausenden Bildern von Warhol und Leonardo etc. vollhängen. Seinen mp3-Player hingegen kann man zehntausenden mp3s vollladen.


Das ist aber eine Ebenenverschiebung. Natürlich kann ich mir meine Butze mit Kunst vollknallen. Sicher nicht als Original, aber mp3´s haben doch auch nicht unbedingt den Anspruch auf Identizität. Im Vergleich wäre die Original-Musik dann doch wohl eher ein Konzert des Interpreten.

Über Kunst zu diskutieren ist in einem solchen Forum recht mühsam.
Ich halte es da lieber mit Picasso:
"Sie erwarten von mir, daß ich ihnen sage, daß ich ihnen definiere, was Kunst ist? Wenn ich es wüßte würde ich es für mich behalten." wink.gif
aktsizr
"Im Vergleich wäre die Original-Musik dann doch wohl eher ein Konzert des Interpreten." - Dann muss der Schöpfer der Musik seine eigene Musik interpretieren? Ist es dann noch `Original', wenn man es interpretiert oder ist es dann schon ein neues Original? Natürlich herrscht bei einem Konzert im Konzertsaal eine andere Atmosphäre oder Aura. Aber in deinem Heim ist Atmosphäre ebenfalls anwesend - und die ist heute, im Gegensatz zu früher, frei vom störendem Knistern der Schelllackplatten, frei vom Netzrauschen oder von barbarischer Frequenzbegrenzung. Die `Originalerfahrung' nähert sich der `Plagiatserfahrung' an - zumindest soweit es die Musik betrifft! Schliesst eure Augen!
jase
Zitat(asmo @ 17 Dec 2007, 16:02)
Über Kunst zu diskutieren ist in einem solchen Forum recht mühsam.

Ich halte es da lieber mit Picasso:
"Sie erwarten von mir, daß ich ihnen sage, daß ich ihnen definiere, was Kunst ist? Wenn ich es wüßte würde ich es für mich behalten."  wink.gif
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Ich halte es mit Benjamin "Die Art und Weise, in der die menschliche Sinneswahrnehmung sich organisiert - das Medium, in dem sie erfolgt - ist nicht nur natürlich, sondern auch geschichtlich bedingt." und "Es ist von jeher eine der wichtigsten Aufgaben der Kunst gewesen, eine Nachfrage zu erzeugen, für deren volle Befriedigung die Stunde noch nicht gekommen ist."

Die Diskussion war ganz nett und auf einem hohen Niveau ... danke allen Beteiligten ... so gefällt mir exma.

Euronymus
Heute in der Zeitung, ein Fakt, den ich mal unkommentiert lasse:
erfolgreichste Single des Jahres: DJ Ötzi - Ein Stern doh.gif

Wenn man echte nichtkommerzielle Musik hörn will, muss man Dienstags in FloPo zum "Klampfen für Ruhm und Freibier" (präsentiert von den Dresdner Stadmusikanten e.V.) gehn und ab dem zweiten Lied pro Interpret zuhören (das erste Lied is nur fürs Bier und deshalb natürlich voll kommerziell). serenade.gif

Die grosse Diskussion um Kunst mit allen mögliche lustigen Fachbegriffen bringt so trocken und theoretisch gar nix, es läuft einfach ins Leere.
Die Rolling Stones haben es so ausgedrückt: "It's Only Rock 'n Roll, But I Like It". Also: Nich diskutieren sondern Gitarre zur Hand nehmen und selber machen.
abadd0n
Ich würde das Thema gern noch ein wenig aufbohren und fragen, warum das Interesse an handgemachter Musik immer verordnet sein muss und nicht von allein entsteht und sich erhält. Für mich stellt sich also weniger die Frage, warum xyz populär ist, sondern vielmehr, warum αω unpopulär ist. weeping.gif

Zitat(aktsizr @ 17 Dec 2007, 14:42)
Nun werden hier auch noch Adorno und Warhol bemüht.. Herzlich Willkommen bei der philosophischen Autoritätsphrasendrescherei! Einmal Jazz-Diffamierung und Suppendosenmalerei gibts gratis!
Manchmal verlässt mich vielleicht der Erinnerungswille, aber bei diesem Incubus-Pamphlet nicht. Gerade Du als Schönberg-Kenner solltest hier Deine Zunge zügeln, ohne Adornos Arroganz wäre aus Strawinskij nie was geworden. Aber das ist nicht der Punkt. Ich musste das nur loswerden. tongue2.gif

Nachtrag: Frei heraus: Ist Musik wissenschaftlich greifbar? Verweis auf Qualia-Problematik in Myrmis Beiträgen.

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