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Vollständige Version anzeigen: Irina Palm
Lejanni
„Ich brauche Geld!“ – Zahlreiche Filme haben diesen Satz als Ausgangspunkt oder Grundmotivation für 100 Minuten Spaß, Spannung, Action oder Drama. Je nach dem wie der Protagonist das Problem löst. Der Eine wählt den kriminellen Weg und überfällt etwa eine Bank. Der Andere versucht es auf dem legalen Weg und nimmt einen ausgefallen Job an, wie etwa Nachtwächter in einem Museum.

In „Irina Palm“ geht die Hauptperson, Maggie (Marianne Faithfull), eine Art Mittelweg. In einem kleinen Dorf ausserhalb von London, fährt sie in die Stadt und findet dort Arbeit in einem Bordell. Da Maggie jedoch eine 50 Jahre alte Witwe ist, ist sie nur als Unsichtbare tätig. Ihre Aufgabe besteht darin, Männer anonym mit der Hand zum Höhepunkt zu bringen, einfacher gesagt, einen runter zu holen. Natürlich macht sie das nur, um ihrem todkranken Enkel zu helfen, des letzte Rettung eine Operation ist, die sich die Familie aufgrund der hohen Reisekosten nicht leisten kann. Und selbstverständlich geht sie ihrer Arbeit heimlich nach.

Die Geschichte ist vom Strickmuster nicht neu. Ein Mensch braucht Geld und muss einem „delikaten Job“ nachgehen, von dem der Partner, die Familie und Freunde nichts wissen dürfen. Das Geheimnis fliegt jedoch auf und es kommt zum Eklat, doch am Ende wird alles gut.
Auch Regisseur Sam Garbarski bedient sich dieses Schemas. Auch in seinem Film findet Maggies Sohn heraus wo seine Mutter arbeitet und ist total aus dem Häuschen. Er zwingt sie sogar ihre Arbeit aufzugeben. Doch schließlich kommt Maggie doch wieder zum Bordellbesitzer Mikky zurück.
Garbarskis zweiter Spielfilm seiner Karriere als Regisseur versucht auf ganz eigene Art und Weise das genannte Muster zu verarbeiten, vielleicht sogar zu durchbrechen.
Dazu hat er sich als weibliche Hauptdarstellerin Marianne Faithfull ins Boot geholt. Die Frau mit dem schön klingenden Namen ist ja mittlerweile ein Urgestein der Medienwelt. Drogen Exzesse mit den Rolling Stones, die erste die das F-Wort in einem Film aussprach, über 30 Musikplatten veröffentlicht, in einem Metallica Video aufgetreten – die Liste könnte noch ewig so weiter gehen. Diese Marianne Faithfull spielt also Maggie, eine Witwe aus kleinbürgerlichen Verhältnissen mit dem starken Willen alles für ihre Familie zu tun. Keine schlechte Wahl, denn sie spielt die Rolle der naiven und blauäugigen Frau überaus gut. Überhaupt, die gesamte Schauspielerriege verkörpert die einzelnen Rollen absolut überzeugend. Die besorgten und frustrierten Eltern (Kevin Bishop und Siobhan Hewlett), die andere Prostituierte Louisa (Dorka Gryllus) und am besten wohl der Bordellbesitzer Mikky (Mikki Manojlovic).

Und trotzdem kann der Film nicht überzeugen. Denn es sind nicht die Charaktere, sondern vielmehr die Inszenierung des Regisseurs, das den Zuschauer am Ende mit einem seltsamen Gefühl der Unzufriedenheit zurücklässt.
Mag der Wechsel zwischen psychedelischen Gitarrenakkorden und der Technomusik in dem Bordell anfangs die Stimmung und die Brechung zwischen Land und Stadt unterstreichen, so wirkt sie nach spätestens 30 Minuten nur noch langweilig und nervtötend. Der Zuschauer fragt sich, warum die Verantwortlichen, nämlich die belgische Rockband Ghinzu, nur diese zwei Musikstücke als Untermalung benutzt hat. Denn die Hälfte der Filmdauer gibt es überhaupt keine Musik. Um so mehr fällt diese Eintönigkeit auf.

Im Zusammenspiel dazu könnte man meinen, Garbarski habe die Langsamkeit wieder entdeckt. Eine Vielzahl von Szenen zieht sich inhaltslos ins Unermessliche hin und werden dann auch noch langsam ausgeblendet. Und wo ein David Lynch dadurch immense Spannung erzeugt, produziert Garbarski nur gähnende Langeweile.
Zwar wird der Film immer wieder mal durch, wie die Frankfurter Rundschau es nennt, „zündend pointierte Komik“ durchbrochen, und auch der Wortwitz mit Maggies Künstlernamen (Irina Palm – Palm, englisch für Handfläche) gibt dem ganzen durchaus einen komischen Beigeschmack, jedoch sind diese Moment viel zu selten.

Zudem wirken manche Szenen, wie etwa die, als Maggie und ihre Kollegin Louisa sich gegenseitig ihre Lebensgeschichten erzählen, fehl am Platz. Der Trailer erweckt den Anschein, dass der Zuschauer hier eine angenehme Tragikomödie zu sehen bekommt. Doch leider bekommt er nur eins: 103 Minuten Langeweile. Warum dieser Film einen Goldenen Bären bekommen hat, ist mir ein Rätsel...
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phanatos
Sehr gut. Also deine Kritik. Nur bisserl mehr Struktur im Layout bitte wink.gif
Lejanni
danke...

aber ich hab doch eh absätze gemacht wink.gif

EDIT: besser?
schildkroet
Zitat
Und trotzdem kann der Film nicht überzeugen. Denn es sind nicht die Charaktere, sondern vielmehr die Inszenierung des Regisseurs, das den Zuschauer am Ende mit einem seltsamen Gefühl der Unzufriedenheit zurücklässt.


Mhm man kann sich über Geschmack ja schliesslich doch streiten. Der Film war (für mich) einfach spitze, sehr melancholisch am Anfang, aber es blitzt immer wieder Heiterkeit durch. Kann man sich auf jeden Fall mal angucken.

Zitat
Mag der Wechsel zwischen psychedelischen Gitarrenakkorden und der Technomusik in dem Bordell anfangs die Stimmung und die Brechung zwischen Land und Stadt unterstreichen, so wirkt sie nach spätestens 30 Minuten nur noch langweilig und nervtötend.

Da stimme ich zu, die Musik könnte man austauschen
Lejanni
klar kann man das. Aber eine rezension ist eben nie objektiv...ist ja eine rezension, keine formale filmanalyse
Fuchs
immer subjektiv...
Lejanni
wollte auch objektiv schreiben wink.gif
schildkroet
Kaum hat man mal ein Thema, schon kommen die Schlaumeier und mäkeln an irgendetwas rum smile.gif